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Beregnung & Bewässerung, 24.08.2012

DAS KONZEPT „STATIONÄRE APPLIKATIONSTECHNIK“

Technik und Hintergründe des unkonventionellen Rebschutzverfahrens
Aufgabe des Rebschutzes ist es, die Kulturen vor Verunkrautung, Krankheiten und Schädlingen zu bewahren und gleichzeitig ein hohes Ertragsniveau sowie eine hohe Produktqualität zu sichern. Die seit einigen Jahren auf diesem Gebiet betriebene Forschung am LFZ Klosterneuburg hat zur Entwicklung eines neuen Konzepts – der stationären Ausbringung von Rebschutzmitteln – geführt.
 
Um die Wachstumsbedingungen der Rebkulturen so optimal wie möglich zu gestalten, ist es notwendig, bestimmte Konkurrenzsituationen, hervorgerufen durch Unkrautpflanzen oder diverse Schaderreger, so weit wie möglich zu verhindern. Durch verschiedene Applikationstechniken – Streuen, Stäuben, Spritzen, Sprühen oder Nebeln – können chemische oder biologische Rebschutzmittel ausgebracht werden.

Für die Raumbehandlung in den Rebkulturen kommt in der Praxis das Sprühverfahren mittels mobiler Sprühgeräte zur Anwendung. Trotz des hohen Entwicklungsstandes der Gerätetechnik lässt die derzeit erreichbare Applikationsqualität noch zu wünschen übrig. So verfehlt nach wie vor ein mehr oder weniger hoher Rebschutzmittelanteil das Zielobjekt Rebe, was sich sowohl ökonomisch als auch ökologisch zu Buche schlägt. Aus diesem Grund wird am LFZ Klosterneuburg seit einigen Jahren nach einer Lösung zur Verbesserung der Mittelausbringung im Weinbau geforscht (siehe Der Winzer 05/2011).

Der hier eingeschlagene Weg zur Realisierung einer optimierten Applikationstechnik unterscheidet sich jedoch grundlegend von den konventionellen Rebschutztechniken. Mithilfe eines völlig neuen Konzepts – dem Einsatz einer stationären Applikationsanlage – soll das primäre Ziel der Applikation, ein gleichmäßiger Wirkstoffbelag auf den Rebflächen, erreicht werden. Sekundäres Ziel ist es, mit diesem nicht-konventionellen Applikationsverfahren auch die Abdrift- und Abtropfverluste auf ein Minimum zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die neue (verbesserte) Konstruktionsvariante der stationären Applikationsanlage und die damit durchgeführten Versuche diskutiert.
 

Neukonstruktion der stationären Applikationsanlage

Die neu konstruierte Applikationsanlage zeichnet sich wie der Anlagenprototyp durch die Hauptbaugruppen Rohrleitungen, Düsen, Kopfeinheit und vorgeschaltete Rebschutzmittelbereitstellung aus. Für die gleichmäßige Verteilung des Rebschutzmittels innerhalb der Rebkultur fungiert das Rohrleitungssystem (siehe Infokasten). Seine Komponenten sind zwei Rohrleitungen – je eine Leitung verläuft in der Trauben- bzw. Laubzone –, verschiedene Rohrformstücke (Krümmer) und Rohrverbindungen. In bestimmten Abständen sind in den beiden Rohrleitungen Düsen mittels Gewinde fixiert. Den Düsen kommt die wesentliche Aufgabe der Zerteilung der Rebschutzmittel in feine Tropfen zu. Danach werden die Tropfen durch die vom Arbeitsdruck erzeugte Bewegungsenergie zu den Rebflächen transportiert.

Am vorderen Ende der Applikationsanlage ist die Kopfeinheit mit den Bauelementen Manometer, Filter und Armaturen montiert. Um Störungen bei der Applikation vorzubeugen, müssen die Rebschutzmittel weitgehend frei von Verunreinigungen sein; dafür ist der Filter notwendig. Zur Steuerung der Applikation werden Armaturen eingesetzt: Zwei Klappen, bei denen sich der Absperrkörper um eine Drehachse quer zur Fließrichtung bewegt, dienen als Absperrorgan. Als Druckmessgerät finden zwei Manometer, jeweils vor bzw. hinter dem Filter eingebaut, ihre Verwendung. Die Drucküberwachung ist insofern wichtig, da eine gleichmäßige Verteilung des Rebschutzmittels über die Rohranlage nur durch einen bestimmten Mindestdruck gewährleistet ist. Das Bereitstellungssystem der Rebschutzmittel besteht aus den folgenden Bauelementen: Mithilfe einer Pumpe wird der Eingangsdruck an den Rohrleitungen aufgebaut; ein Behälter samt Rührwerk dient zur Speicherung des Rebschutzmittels; durch eine entsprechende Armatur kann das System gesteuert werden. Im konkreten Fall kommt ein konventionelles mobiles Weinbau-Sprühgerät für die Rebschutzmittelaufbringung zum Einsatz. Hinsichtlich der Energieversorgung der stationären Applikationsanlage gilt es festzuhalten, dass diese ausschließlich durch den Weinbau-Traktor (Zapfwelle) bewerkstelligt wird.
 

Eingesetzte Materialien

Bei der stationären Applikationsanlage des LFZ Klosterneuburg ist sowohl das organische (Reben) als auch das technische Material (Anlage) von Bedeutung. Als Rebmaterial werden Rebstöcke der Sorte Cabernet Sauvignon, gekennzeichnet durch große, kreisförmige Blätter, veredelt auf den Unterlagen 1103P, Aripa und 1616C, verwendet. Betreffend Erziehungssystem weisen die Cabernet-Sauvignon-Reben eine Erziehung nach Lenz ­Moser auf, das heißt, am Drahtrahmen mit exakt formierter Laubwand erzogen.

Das Anlagenmaterial, bestehend aus den verschiedenen genormten Bauteilen, lässt sich wie folgt beschreiben: In Polyvinylchlorid-(PVC)-Rohrleitungen mit einer Nennweite von 25 mm (NW 25) werden die Rebschutzmittel transportiert. Zu deren fixen Befestigung an den Pfählen dienen lösbare Schraubverbindungen. Ebenfalls zur Anwendung kommen Gewinde bei der Verbindung zwischen den einzelnen Rohrleitungsabschnitten (Verlängerung); zusätzlich sind diese Verbindungsstellen mit Klebebändern versehen. Für die Rebschutzmittelzerteilung werden ­Düsen aus Polyethylen (PE) in die obere (Laubwand) und untere (Traubenbereich) Rohrleitung im Abstand von 1,1 m geschraubt – angeordnet in einem Zickzack-Muster. Hierbei werden für die Rohrleitung in der Laubzone zweistrahlige Düsen mit horizontaler Ausrichtung, hingegen für die Rohrleitung in der Traubenzone schräg ausgerichtete vierstrahlige Düsen eingesetzt. Somit wird der Strahl der oberen Düsen nach links und rechts, jener der unteren Düsen seitlich nach oben bzw. unten gelenkt.

Der Rebschutzmitteltransport erfolgt mit einem Volumenstrom von zweimal 5,5 l/h bei den Düsen mit zwei Strahlen bzw. viermal 5,5l/h bei den Düsen mit vier Strahlen. Zur Filtrierung des Fluids ist ein sogenannter Scheibenfilter mit 120M (mesh) Filterweite ausreichend. Vor und nach dem Filter ist jeweils ein Manometer mit einem Messbereich von 0 bis 10 bar eingebaut. An den Enden der Rohrleitungen befinden sich auf der Vorderseite (Kopfeinheit) – das heißt nach dem Filter – zwei Armaturen (Klappen) und an der Hinterseite zwei Rohr-Formstücke (Kappen); beide Systemkomponenten bestehen aus PE. Die Rebschutzmittel werden durch ein mobiles Weinbau-Sprühgerät mit einem Betriebsdruck von ca. 5bar der Anlage zugeführt. Dabei wird die dafür benötige Energie (Druckaufbau) der Traktor-Zapfwelle entnommen.
 

Kenndaten

Ein Vergleich und eine Zuordnung des stationären Applikationsverfahrens innerhalb des Spektrums der Rebschutztechnik müssen neben den technischen und ökologischen Einsatzbedingungen auch die Kosten verursachenden Kriterien Kapitalbedarf, Arbeitszeitbedarf sowie Energie- und Wasserbedarf einbeziehen. Ein Maßstab für die technische Leistung eines Applikationsverfahrens ist der Bedeckungsgrad der Zielfläche Rebe. Diesbezüglich kann konstatiert werden, dass sich mit der stationären Appli­kationstechnik im Durchschnitt ein vergleichbar hoher Grad an Bedeckung der Rebflächen mit Rebschutzmitteln erzielen lässt wie mit ­mobilen Weinbau-Sprühgeräten. Eine laufende Überprüfung der Applikationsqualität – diese erfolgte mittels Water-Sensitive-Paper (WSP, wasserempfindlichem Papier) – während der Versuchszeiträume im Juli 2011 bzw. 2012 ergab nämlich, dass die Reb­stöcke der Sorte Cabernet Sauvignon durchschnittlich zu 4/5 bedeckt waren. Auch aus ökologischer Sicht ist das stationäre Ausbringen von Rebschutzmitteln durchaus positiv zu bewerten, da sowohl die Abdrift- als auch Abtropfverluste sich in Grenzen hielten.

Hinsichtlich des Kapitalbedarfs gilt es anzumerken, dass dieser aufgrund der eingesetzten Materialien und der entsprechenden Maschinenausstattung (Weinbau-Sprühgerät) als niedrig einzustufen ist; als Durchschnittswert können 1.400 € pro Hektar Rebfläche angenommen werden. Das interessanteste Kriterium liefert jedoch der ökonomische Aspekt des Arbeitszeitbedarfs. Da der Winzer die Rebgassen bei dieser Technik nicht befahren muss, kann die gesamte Rebschutzarbeit im Weingarten wesentlich reduziert werden. Es liegt auf der Hand, dass sich dadurch die Arbeitskraft- und Maschinenstunden und somit auch die Kosten für den Rebschutz deutlich senken lassen. In der Folge des niedrigeren Maschineneinsatzes fällt natürlich auch der Energiebedarf geringer aus.

Neben den genannten Kriterien muss bei einem Vergleich der Rebschutzverfahren verstärkt auf den Wasserbedarf geachtet werden, zumal zunehmend Beschränkungen zu befürchten sind. Die Gegenüberstellung zu dem mobilen Rebschutzverfahren führt zu der Erkenntnis, dass der Wasser­bedarf mit ca. 1.200 Liter pro Hektar – verursacht durch die hohe Düsenanzahl und den großen Volumenstrom – relativ hoch ist. Inwieweit Einsparungen bei der Wassermenge ohne eine Beeinträchtigung der Applikationsqualität möglich sind, wird sich in neuen, veränderten Konstruktionsvarianten der stationären Anlage zeigen. Unter anderem ist geplant, in der nächsten Vegetationsperiode erstmals eine Versuchsfläche nur mittels stationärer Ausbringung von Rebschutzmitteln zu behandeln.
 

Resümee

Der Rebschutz spielt weltweit eine wichtige Rolle bei der Produktion eines einwandfreien und gesunden Leseguts. Besonders in humiden Klimabereichen wie Mitteleuropa kommt der eingesetzten Applikationstechnik eine wichtige Funktion zu. Unter der stationären Applikationstechnik wird die Technik verstanden, die zur Ausbringung und Verteilung der Rebschutzmittel in der Raumkultur die Bauteile Rohrleitungen, Düsen, Armaturen und Pumpen einsetzt. Die Rebschutzmittelzuleitung erfolgt von der Kopfeinheit über die Verteilerleitungen zu den Düsen. Zum Druckaufbau im Rohrleitungssystem können entweder konventionelle Pumpen oder (bereits im Weinbaubetrieb vorhandene) mobile Weinbau-Sprühgeräte herangezogen werden. Als Werkstoffe für die Rohrleitungsanlage werden fast ausschließlich die UV-beständigen Kunststoffe PVC und PE verwendet.

Der Abstand der Düsen und die Position der Verlegung der Rohrleitungen sind weitgehend von den rebsortenspezifischen Bedingungen abhängig. Aufgabe der Düsen ist es, die in den Rohrleitungen von der Pumpe fortgeleiteten Rebschutzmittel zu zerteilen. Dies ermöglicht eine relativ gute Benetzung der Reben, da die generier­ten Tropfen einen kleinen Durchmesser aufweisen. Je präziser die Applikation zu den Zielflächen erfolgt (zielobjektorientierte Applikation), umso geringer sind die Abdrift und Abtropfung der Rebschutzmittel. Insgesamt ist festzustellen, dass für eine weinbauliche Nutzung der stationären Applikation viele Argumente – man denke nur an den ­geringen Arbeitszeitbedarf – sprechen. Bei zukünftigen Planungen sollte ­dieses Verfahren deshalb mit in den Entscheidungsrahmen aufgenommen werden, auch wenn noch Weiterentwicklungen des Konzepts „Stationäre Applikationstechnik“ notwendig sind.
 

Rohrleitungstechnik

Prinzipiell stellen Rohrleitungsanlagen ein Verbindungssystem dar und dienen zum Transport von Fluiden. Sie bestehen aus den drei Bauelementen Rohrabschnitte, Rohrformstücke und Rohrverbindungen, welche als vorgefertigte Bauteile zu Systemen zusammengesetzt werden. Die Rohrleitungen selbst haben bei der stationären Applikationstechnik in Rebkulturen die Aufgabe, das Rebschutzmittel zu führen, fortzuleiten und über größere Entfernungen zu transportieren. Ein wesentliches Merkmal dieser Rohrleitungsanlage ist, dass sie frei verlegt ist. Da diese Rohrleitungen deshalb immer die Umgebungstemperatur annehmen, müssen besonders die möglichen Längenänderungen bei der Planung und Ausführung berücksichtigt werden.

Es sind bei der Planung und dem Bau der Rohrleitungsanlage im Weingarten neben den speziell dafür geltenden Normen auch andere Regeln und Richtlinien zu beachten, die von Verbänden und Körperschaften aufgestellt wurden. Allgemein enthält der Planungsablauf des Rohrleitungssystems für die stationäre Anlage mehrere Schritte. Dabei ist zu beachten, dass je nach Genauigkeit und Wirtschaftlichkeit die einzelnen Größen – beispielsweise der Nenndruck (PN) der Rohrstränge nach DIN EN 1333 – bestimmt werden müssen. Auf der Grundlage des erforderlichen Applikationsablaufs wird dann ein Anlagenschema einschließlich der Rohrleitungsorgane und Messstellen nach DIN EN ISO 10628 und DIN 19227 angefertigt.

 

Medium

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