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Mechanische Schnittgeräte , 10.07.2012

JETZT ANS AUSDÜNNEN MIT DEM VOLLERNTER DENKEN

Der Minimalschnitt im Spalier (MSS) ist aus Sicht der Qualität, der Menge, der Traubengesundheit und der Wirtschaftlichkeit sehr interessant.
Der Minimalschnitt im Spalier (MSS) ist aus Sicht der Qualität, der Menge, der Traubengesundheit und der Wirtschaftlichkeit sehr interessant. Allerdings besteht bei dieser Erziehung die Gefahr von Übererträgen und damit kleinen, dünnen und unharmonischen Weinen. Damit dies nicht geschieht, muss ertragssteuernd eingegriffen werden. Dies gelingt nur mit dem Traubenvollernter recht gut. Allerdings ist die Vollernterausdünnung auch mit Risiken verbunden und erfordert daher Erfahrung und Kompetenz.
 
Die hohe Traubenzahl pro Stock bringt - insbesondere im ersten Jahr - sehr hohe Erträge. In Verbindung mit dem daraus resultierenden schlechten Blatt-Frucht-Verhältnis wirkt sich dies sehr negativ auf die Traubenreife und damit auch auf die Weinqualität aus.
 

EINE SEHR WICHTIGE MASSNAHME

Will man nicht große Mengen an Basiswein produzieren, ist ein Ausdünnen mit dem Traubenvollernter eine recht schnelle und zuverlässige Methode, den Ertrag zu regulieren. Entsprechend der Menge-Güte-Beziehung kommt es zu einer besseren physiologischen Reife und damit einhergehend zu höheren Mostgewichten. Zusätzlich bewirkt die Vollernterausdünnung eine weitere Auflockerung der Traubenstruktur und eine vermehrte Kleinbeerigkeit. Diese Faktoren wirken sich positiv auf die Traubengesundheit aus, weshalb meist eine spätere Lese möglich ist. Dies ist in der Regel qualitätsfördernd. Bei moderaten Erträgen sind Qualitäten möglich, die denen der Normalerziehung ebenbürtig sind oder sie teilweise übertreffen.
Die Intensität der Ausdünnung muss dem Ertragsniveau angepasst werden. Bei sehr hohen Erträgen ist auch eine entsprechend starke Ausdünnung erforderlich. Dies ist aber im praktischen Einsatz gar nicht so einfach steuerbar, weil man das Ertragsniveau und die Ausdünnquote nur grob abschätzen kann.
Verzichtet man auf eine Ertragssteuerung und nimmt hohe Erträge in Kauf, geht man das Risiko einer Überlastung der Rebstöcke ein. Dies geht zulasten der Vitalität, der Wuchsleistung und der Reservestoffeinlagerung. Die Folgen davon können eine verminderte Austriebsrate, verstärkter Kümmerwuchs und eine geringere Widerstandsfähigkeit in Stresssituationen sein. Unter Trockenstress beispielsweise zeigen solche Anlagen eher Nährstoffmangelsymptome. So trat im niederschlagsarmen Frühjahr 2012 in Anlagen, die 2011 einen sehr hohen Ertrag brachten, vermehrt Eisenmangelchlorose auf. Dies beschränkte sich allerdings nicht nur auf Minimalschnittanlagen. Normalanlagen waren davon ebenso betroffen.
 

GESAMTE TRAUBENZONE AUSDÜNNEN?

Die Ausdünnung kann gleichmäßig über die gesamte Laubwand oder nur im unteren Laubwandbereich (Bandausdünnung) erfolgen. Die Bandausdünnung hat den Vorteil, dass nur die unteren Trauben abgeschlagen werden. Diese sind stärker beschattet und haben somit ein geringeres Mostgewicht. Nachteilig bei der Bandausdünnung ist, dass möglichst alle Trauben abgeschlagen werden sollen. Dies erfordert eine hohe Schüttelfrequenz (440 bis 460 Schwingungen pro Minute), was Pfähle und Stöcke stärker beansprucht. Zusätzlich entstehen bei dieser Ausdünnmethode - wie bei der „Grünen Lese" auch - Kompensationseffekte, das heißt die restlichen Trauben nehmen an Dickenwachstum zu.
Eine Ausdünnung über die gesamte Traubenzone bringt eine gleichmäßigere Ausdünnwirkung. Dazu müssen Schüttelstäbe über die gesamte Laubwandhöhe installiert werden. Die Schlagintensität muss hierbei reduziert werden, was die Belastungen auf die Stöcke und die Unterstützung verringert. Bei sehr hohem Ertragsniveau, wie es beim MSS häufig gegeben ist, lässt sich die Ausdünnquote mit dieser Methode besser steuern. Zudem führt das Ausdünnen über die gesamte Traubenzone zu einer größeren Lockerbeerig- und Kleinbeerigkeit. Deshalb wird dieses Verfahren vom Verfasser eindeutig favorisiert.
 

DIE EINSTELLUNG DER MASCHINE

An den Vollerntern sollten die Auffangbecher beziehungsweise Schuppenbahnen entfernt werden, damit die abgeschlagenen Trauben und Traubenteile auf den Boden fallen und man die Ausdünnquote abschätzen kann. In der Praxis
werden immer häufiger ausrangierte gezogene Ernter zum Ausdünnen umfunktioniert, das heißt bis auf das Fahrgestell, den Rahmen, die Hydraulik und das Schüttelwerk werden alle anderen Teile abgebaut. Diese Variante ist eine sehr kostengünstige Lösung.
Die Schwingungen pro Minute (min) müssen bei einer Ausdünnung über die gesamte Traubenzone deutlich niedriger eingestellt werden, als bei der Traubenernte. In Abhängigkeit vom Schüttlersystem des Vollernters, von der Fahrgeschwindigkeit, der Rebsorte und der anzustrebenden Ausdünnrate sind bei modernen Erntern Schwingungen zwischen 320 und 370/min in der Regel ausreichend. Beachtet werden muss, dass mit Zunahme der Schwingungen die Ausdünnquote nicht linear ansteigt. Eine Steigerung um nur 20 Schwingungen/min kann durchaus bewirken, dass sich die abgeschlagenen Trauben verdoppeln. Dies zeigt, dass man für dieses Verfahren ein gutes Augenmaß, Fingerspitzengefühl und Erfahrung benötigt.
Auch über die Fahrgeschwindigkeit lässt sich die Ausdünnquote beeinflussen. Da aber viele Lohnunternehmer nach Zeit abrechnen, sollten Geschwindigkeiten wie bei der Traubenernte eingehalten werden. Die Selbstfahrer der neueren Generation haben verlängerte Schläger, was den Kontakt in der Traubenzone verbessert hat. Dadurch sind geringere Schlagzahlen erforderlich und Schlagverletzungen an den Trauben halten sich in Grenzen. Bei den Vorführungen sind die Winzer immer wieder erstaunt, wie schonend der Vollernter ausdünnen kann. Die meisten erwarten einen „kleinen Hagelschlag", stattdessen sind nahezu keine Triebbeschädigungen feststellbar, der Blattverlust ist recht gering und die Beerenverletzungen tolerierbar.
Allerdings hängen die Beerenbeschädigungen auch sehr stark von der Rebsorte ab. Insbesondere bei den Burgundersorten werden viele Einzelbeeren herausgeschlagen und dabei auch viele Beeren angeschlagen, die dann am Stock absterben. Bei richtiger Einstellung ist bei diesen Sorten aber eine gute Auflockerung der Traubenstruktur möglich. Bei Erntern mit kürzerem Schlagwerk, wie es noch häufiger bei gezogenen Maschinen anzutreffen ist, muss die Schlagzahl etwas erhöht werden, wodurch auch der Anteil verletzter Beeren zunimmt.
Anfänger sollten verschiedene Schüttelfrequenzen ausprobieren, beginnend mit einer geringen Frequenz von circa 330 bis 340 Schwingungen/ min. Mit dieser Einstellung sollten einige Zeilen gefahren und dann das Ergebnis visuell beurteilt werden. Danach kann man eine stärkere Einstellung (350 bis 360 Schwingungen/ min) ausprobieren und anschließend die beiden Einstellungen miteinander vergleichen.
Bei der Lese sollte man, in Abhängigkeit von der Einstellung beim Ausdünnen, eine separate Ertrags- und Qualitätsermittlung vornehmen und anhand der gewonnenen Resultate die Wirksamkeit der Ausdünnung beurteilen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen kann man dann im nächsten Jahr die Maschineneinstellung mit mehr Wissen und Sicherheit vornehmen.
In Anlagen, die erst im letzten Winter auf MSS umgestellt wurden und somit einen sehr hohen Behang haben, wird man eher eine höhere Frequenz von 350 bis 360 Schwingungen/min benötigen. Im Extremfall muss man sogar bis auf 380 Schwingungen/min gehen. Mehrjährige MSS-Anlagen, die schon etwas ertragsschwächer sind, kann man eventuell mit geringeren Frequenzen ausdünnen. Leider gibt es für das Ausdünnen mit dem Vollernter kein Patentrezept. Jeder Winzer oder Lohnunternehmer muss hier seine Erfahrungen sammeln und damit rechnen, dass er Lehrgeld zahlen muss.
 

ZEITPUNKT und AUSDÜNNQUOTE

Das Ausdünnen mit dem Vollernter sollte beim Minimalschnitt bei Traubenschluss erfolgen. In diesem Jahr dürfte dies, in Abhängigkeit von der Lage und der Rebsorte, im Zeitraum Mitte bis Ende Juli der Fall sein. Die Beeren müssen zum Ausdünnen eine gewisse Größe haben (mindestens Erbsendicke), aber noch hart sein. Es darf nicht zu einem stärkeren Austritt von zuckerhaltigem Saft kommen, sonst besteht die Gefahr von Botrytisinfektionen.
Früheres Ausdünnen führt leicht zu einer zu geringen Ausdünnquote, da die Beeren nicht so gut von dem Rüttelwerk getroffen werden. Das Ausdünnen sollte bei sonnigem, warmem Wetter durchgeführt werden,
um ein schnelles Eintrocknen beschädigter Beeren sicherzustellen. Ist dies gewährleistet, ist auch kein zusätzlicher Botrytrisschutz (zum Beispiel Spritzung von Botrytiziden) erforderlich.
Hauptproblem beim Ausdünnen mit dem Vollernter ist die Realisierung des angestrebten Ertrages durch die richtige Ausdünnquote. Die vom manuellen Ausdünnen bekannte Tatsache, dass eine Ausdünnquote von 50 Prozent aufgrund des größeren Dickenwachstums der Beeren nicht zu einer Ertragshalbierung führt, kann beim Vollernter nicht bestätigt werden.
Die Ertragsreduzierung ergibt sich nicht allein aus der Menge der abgelösten Trauben und Beeren, sondern es kommen noch zwei weitere Effekte hinzu. Angeschlagene Trauben oder Beeren sterben nachträglich noch ab. Hierbei ist beim Minimalschnitt das Ausmaß geringer als beim Bogenschnitt, da die Trauben beim Minimalschnitt nicht so stark im Drahtrahmen fixiert sind und somit den Schüttlerstäben besser ausweichen können.
 

TRAUBEN- und BEERENGRÖSSE

Der zweite sehr wichtige Effekt ist eine vermindernde Beerengröße aufgrund der Schüttlereinwirkung.
Ein besonderes Phänomen beim Ausdünnen mit dem Vollernter stellt die Beerengröße dar. Bei einem manuellen Ausdünnen (zum Beispiel Grüne Lese) nimmt die Beerengröße zu, was die Botrytisgefahr erhöht und das Verhältnis von Fruchtfleisch zu Schale negativ verändert. Beim Ausdünnen mit dem Vollernter bleiben die Beeren klein und bekommen eine dickere Beerenhaut. Möglicherweise kommt es zu einer Emboliebildung in den Xylembahnen aufgrund der Schüttlereinwirkung. Es bilden sich dort Luftblasen, die zumindest teilweise die Wasserversorgung der Beeren unterbrechen. Die Trauben reagieren darauf ähnlich wie bei Trockenheit mit der Bildung einer dickeren Beerenhaut, kleineren Beeren und einer vermehrten Einlagerung von Phenolen. Insbesondere bei Rotweinsorten ist diese Reaktion sehr qualitätsfördernd.
Die kleineren Beeren, aber insbesondere die dickere Beerenhaut bewirken zudem ein sehr geringes Botrytisrisiko. Abquetschungen von Beeren und Saftaustritt kommen praktisch nicht vor. Damit ergibt sich die Möglichkeit, den Lesetermin relativ spät zu wählen, was sich positiv auf die physiologische Reife auswirkt und zu einer Qualitätssteigerung führen kann, die nicht zu unterschätzen ist.
Aber auch ohne Vollernterausdünnung sind die Trauben und Beeren beim MSS deutlich kleiner und leichter als bei der Normalerziehung. Durch die Vollernterausdünnung werden die Gewichte noch weiter reduziert (siehe Abbildung 1, Seite 31).
 

REIFEENTWICKLUNG

Die Abbildung 2 auf Seite 31 zeigt beispielhaft den unterschiedlichen Reifeverlauf zwischen dem MSS und der Bogenerziehung beim Müller-Thurgau. Deutlich erkennbar ist die Reifeverzögerung beim MSS. Bei diesem Erziehungssystem liegt bei Reifebeginn in der Regel ein Reiferückstand von zehn bis 14 Tagen gegenüber der Bogenerziehung vor. Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung ist dieser Rückstand nicht unbedingt negativ zu sehen. Aufholen lässt er sich nur durch eine entsprechende Ausdünnung und/oder eine spätere Lese. Im vorliegenden Beispiel musste der Bogenschnitt aufgrund des Bo-trytisbefalls (25 Prozent Befallsstärke) am 29. September mit 83 °Öchsle (Oe) gelesen werden. Die MSS-Varianten waren dagegen kerngesund und konnten noch hängen. Sie wurden ohne Fäulnis am 11. Oktober gelesen. Die längere Reifezeit brachte bei der starken Ausdünnung ein Mostgewicht von 96 °Oe bei einem Stockertrag von 3,8 kg. Die schwache Ausdünnung lag bei 85 °Oe und 6,2 kg/Stock. Ohne Ausdünnung wurden 76°Oe erreicht mit einem stattlichen Stockertrag von 7,9 kg. Das für diesen sehr hohen Ertrag recht gute Mostgewicht von 76 °Oe lässt eigentlich noch eine befriedigende Qualität erwarten. Ein UTA-Fix-Test ergab allerdings, dass der Wein ein UTAPotenzial besitzt. Die anderen Varianten waren in dieser Hinsicht nicht auffällig.
 

POLYPHENOLE

Die Polyphenolgehalte sind bei vollernterausgedünntem Lesegut aufgrund des engeren Beerenhaut-Fruchtfleisch-Verhältnisses meist höher, wie die Abbildung 3 oben zeigt. Bei Rotweinen ist dies positiv zu bewerten. Bei Weißweinen muss auf eine Harmonisierung der Phenole geachtet werden, damit die Weine keine Bitternis im Abgang aufweisen. Eventuell muss hier mit einer entsprechenden Schönung (zum Beispiel Gelatine) nachgeholfen werden.
 

PFLANZENSCHUTZ

Allerdings führt die Möglichkeit der späteren Lese und damit verbunden längeren Reife auch zu einer besseren Phenolreife, was dem Wein dann mehr Körper und Fülle verleiht.
Der Reiferückstand beim MSS verlangt eine spätere Ernte, was aufgrund des geringeren Fäulnisrisikos in der Regel problemlos möglich ist. Allerdings muss das Blattwerk länger funktionsfähig bleiben, um Assimilate bilden zu können.
Deshalb muss beim Pflanzenschutz darauf geachtet werden, dass die Blätter möglichst lange gesund erhalten werden. In der Praxis bedeutet dies, dass die Abschlussbehandlung nicht zu früh vorgenommen werden sollte. Ein Spätbefall von Peronospora an den Blättern führte 2011 in einigen MSS-Anlagen, wo die Abschlussspritzung zu früh vorgenommen wurde, zu einem größeren Verlust an Assimilationsfläche und kostete einige °Oe.
 

FAZIT

Mit dem Traubenvollernter steht ein schnelles und kostengünstiges Ausdünnverfahren für MSS- und Normalanlagen zur Verfügung. Im Unterschied zu den manuellen Ausdünnverfahren reagieren die Trauben darauf mit der Bildung einer dickeren Beerenhaut und kleineren Beeren. Dies führt zu einem engeren Beerenhaut/Fruchtfleisch-Verhältnis und zu einer lockeren Traubenstruktur. Die Botrytisanfälligkeit ist dadurch recht gering, was eine spätere Leseterminierung erlaubt. Die Inhaltsstoffe werden stärker konzentriert, was sich insbesondere bei roten Sorten sehr qualitätsfördernd auswirken kann. Allerdings darf man das erhöhte Verlustsrisiko bei diesem Verfahren nicht außer Acht lassen. Nur eine richtige Geräteeinstellung bringt den gewünschten Erfolg. Dafür bedarf es der nötigen Erfahrung und Kompetenz.   
 
 

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Rebe & Wein ist ein Fachmagazin für Weinbau und Weinwirtschaft mit  Kernverbreitungs-gebiet Württemberg und Franken. Erscheinungsweise monatlich, verbreitete Auflage rund 5800, verkaufte Auflage rund 5400 (IVW). Das Magazin bietet Fachinformationen für Winzer und Weinerzeuger, von der Anbautechnik der Reben bis zum Verkauf der Flaschen. Daneben gibt es Brancheninformationen von regional bis weltweit. Jährlich mehrere Sonderpublikationen zu ausgewählten Fachthemen ergänzen das Angebot des Monatsheftes. Rebe & Wein ist zudem Organ der Weinbauverbände in Württemberg und Franken.
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