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Mechanische Schnittgeräte , 20.03.2012

ERSTE ERFAHRUNGEN MIT DEM MECHANISCHEN SCHNITT IN DER OBSTBAUFACHSCHULE GLEISDORF

Der maschinelle Schnitt erlebt auch im österreichischen Obstbau, ausgehend von Frankreich, eine Renaissance.
Der maschinelle Schnitt erlebt auch im österreichischen Obstbau, ausgehend von Frankreich, eine Renaissance. Zahlreiche Versuchsstationen und auch Praktiker befassen sich auf Basis der französischen Versuchsergebnisse wieder mit dem mechanischen Schnittverfahren. Auch in der Steiermark laufen seit 2011 Versuche mit dem mechanischen Schnitt, nachdem bereits vor ca. 20 – 25 Jahren innovative steirische Obstbauern ihre Apfelanlagen mehr oder weniger erfolgreich maschinell geschnitten haben.
Grundlage des mechanischen Schnittes bildet das in Frankreich entwickelte System „Le Mur Frutier“(Fruchtwandsystem), das nun auch in Spanien, Belgien, Deutschland und Südtirol weiteren Prüfungen unterzogen wird. Für den Obstbauern sind es vor allem ökonomische Gründe, die ihn zu einer Umstellung auf den maschinellen Schnitt bewegen, vor allem dann in Kombination mit der mechanischen Ausdünnung und in Zukunft auch mit der mechanischen Ernte durch Pflückroboter.
 

Die Philosophie

Entscheidend für die Produktivität einer Apfelanlage ist nicht das Baumvolumen in m³, sondern die Fruchtwand mit einer Produktionsfläche ausgedrückt in m² (Abb. 2). Die theoretische Produktion pro ha errechnet sich aus Baumhöhe, Länge der Reihen, Anzahl Reihen per ha, Anzahl Früchte auf einer Seite und durchschnittliches Fruchtgewicht. Zielvorgabe sind 25 Früchte pro m² Fruchtwandfläche.
Beispiel für die Versuchsparzelle in der FS Gleisdorf, Sorte Pinova
Reihenabstand: 3,2 m
Länge der Reihen: 80 m
Anzahl der Reihen/h: 32
Kronenhöhe: 3,0 m
Zielvorgabe: 25 Früchte/m²
Fruchtgröße: 150 g
 
Theoretischer Ertrag/ha: (3,2 x 80x 32 x 2) x 25 x 150/1.000.000 = 61,4 t/ha
 

Vorbereitung der Anlage im Winter

Nur im Umstellungsjahr werden die Bäume im Winter mechanisch geschnitten. Auch die Wipfel sind gerade zu schneiden, der händische Winterschnitt hat zu unterbleiben:
1.      Mechanischer Schnitt Mitte März(vor der Blüte): 40 – 50 cm an der
         Basis, 25 – 30 cm Wipfel (Entfernung von der Mittelachse).
2.      Mechanischer Schnitt Ende Mai – Anfang Juni(ca. 40 Tage nach
         Vollblüte): Basis 40 cm, oben 25 – 30 cm
 
Aus Belichtungsgründen ist unbedingt eine pyramidale Form anstreben. Danach erfolgt nur mehr ein Sommerschnitt, bevorzugt im 12 Blatt-Stadium, um die Blütenknospenbildung für das nächste Jahr zu fördern. Der alleinige mechanische Schnitt im Winter wirkt wachstums-fördernd und ist deshalb abzulehnen.
 

Internationale Erfahrungen

Die Erfahrungen aus den verschiedenen Produktionsgebieten sind durchwegs positiv. Neben einer Verminderung der Alternanz, einer höheren Produktion verbunden mit einer gleichmäßigeren Qualität (Uniformität bei Größe und Farbe), weniger Sonnenbrand, einer höhere Ernteleistung lässt sich auch eine Schnittkosteneinsparung von 30 – 70 % erzielen. Als negative Effekte wurden Ertragseinbußen im Umstellungsjahr (als Folge der Reduktion von Kronenvolumen), die Reduktion der Fruchtgröße und die Verzögerung der Fruchtreife bei zu frühem Sommerschnitt beobachtet. Offene Fragen sind noch die Anfälligkeit für diverse Krankheiten und Schädlinge wie Blutlaus, Schorf und Mehltau aufgrund verspäteten Triebabschluss, Obstbaumkrebs etc. Ein manueller Korrekturschnitt wird generell nicht empfohlen; wenn erforderlich je nach Sorte mit einem Stundenaufwand von max. 10 – 40 h/ha. Diskutiert wird auch noch die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt für den mechanischen Winter- bzw. Sommerschnitt (Rotknospenstadium, T-Stadium, längster Tag, August, Belichtungsschnitt vor der Ernte oder Nachernteschnitt?). Eine Kombination mit der mechanischen Fruchtausdünnung wird als ideal angesehen.
 

Schnittgeräte

Für den mechanischen Schnitt stehen mehrere Geräte mit unterschiedlichen Schnittwerkzeugen zur Auswahl: Sägeblätter (ERO – Weinbaugeräte), Fingermähbalken (Fama Pruning CMA 250, Vertretung in Ö Firma AgroComTech), Doppelmesserschneidwerk (Darwin Schnittgerät, Vertretung in Ö Firma Lindner GmbH) und die Baumschneidemaschine der Baureihe BSF und FL 30 der Firma Fischer Maschinenbau GmbH.
Die Fachschule Gleisdorf hat im Frühjahr dieses Jahres ein Schnittgerät (Fama Pruning CMA 250) angeschafft, um das Thema mechanischer Schnitt versuchsmäßig besser bearbeiten zu können (Abb. 3).
 

Schnittversuche in der FS-Gleisdorf

Im Rahmen einer Fachbereichsarbeit bearbeitete eine Schülerin (Schwarz T., Neudorf/Ilztal) der Abschlussklasse der FS Gleisdorf das Thema „Mechanischer Schnitt“. Zu diesem Zweck wurde ein Schnittversuch in der Obstanlage der FS Gleisdorf (Sorte Pinova, M9, Pflanzjahr 2001, Pflanzabstand 3,2 m x 1,0 m, Schlanke Spindel, Einzelreihe unter Hagelnetz, Reihenrichtung Nord-Süd) mit den Varianten „Winterschnitt Standard“, „mechanischer Schnitt“ (zwei Schnitt-Termine 23.03. und 10.06.2011) und „Klik-Schnitt“ (Termin 29.03.2011) angelegt. Der „Klik-Schnitt“ (entwickelt in den Niederlanden) verfolgt das Ziel, das Baumwachstum durch Stimulation von Wachstumspunkten, speziell im Wipfelbereich, zu beruhigen.
Mitte Juni erfolgte eine erste Zwischenauswertung des Versuches; während und nach der Ernte (3 Pflückgänge, jeweils am 26.09. und am 18.10.2011− 2. und 3. Pflücke am selben Tag) wurden der Ertrag (Fruchtzahl/Baum, kg/Baum, Einzelfruchtgewicht in Gramm), die äußere und innere Fruchtqualität (Größe, Sortierklassen, Ausfärbung, °Brix, titrierbare Säure) und die Fruchtreife (Penetrometerwert, Stärkewert, Reifeindex nach Streif) ermittelt.
 

Ergebnisse

Die höchsten Erträge, ausgedrückt durch die Gesamtfruchtzahl pro Baum, lieferte die Variante „Mechanischer Schnitt“ mit 184 Früchten, gefolgt vom „Winterschnitt Standard“ (152)und dem „Klik-Schnitt“ mit ca. 126 Früchten/Baum (Graphik 1 [siehe Abbildung 6]). Aufgrund der niedrigeren durchschnittlichen Einzelfruchtgewichte in der Variante „Mechanischer Schnitt“ waren die Erträge in kg/Baum in den Varianten Winterschnitt und mechanischer Schnitt mit ca. 28 kg nahezu gleichwertig. Die qualitativ besten Erträge wurden in dem Parzellen mit dem Klik-Schnitt geerntet (höchste Einzelfruchtgewichte, höchster Anteil 1. und niedrigster Anteil an farbloser 3. Pflücke = Industrie). Mit durchschnittlich 157 g waren die Früchte in der Variante „Mechanischer Schnitt“ am kleinsten (Graphik 3 [siehe Abbildung 8]); der Unterschied zur Variante Winterschnitt std. betrug in jedem der 3 Pflückgänge ca. 30 g, zur Variante Klik-Schnitt sogar 35 Gramm. Auch war der Anteil an dritter Pflücke (= Industrieware) mit ca. 16 % an der Gesamternte in dieser Variante am höchsten (Graphik 2[siehe Abbildung 7]). Der Grund für diesen sehr hohen Anteil 3. Pflücke und für das geringe Fruchtgewicht dürfte doch das sehr schwache vergreiste Fruchtholz im Inneren der Baumkrone gewesen sein; hier hätte ein manueller Korrekturschnitt in der Variante „Mechanischer Schnitt“ sicher zu einer Verbesserung der Fruchtqualität beitragen können. Am höchsten war der %-Satz an erster Pflücke mit ca. 44% in der Variante Klik-Schnitt, am niedrigsten mit ca. 27 % beim mechanischen Schnitt (das ist ein deutlicher Hinweis auf eine verzögerte Ausfärbung).
Die Variante „Mechanischer Schnitt“ zeigte Mitte Juni noch das stärkste Wachstum ersichtlich aus der Trieblänge (ca. 40 cm im Vergleich mit dem Standard-Winterschnitt mit nur 26 cm) und dem Prozentsatz abgeschlossener Triebe (48% zu 68%). Die Anregung des Triebwachstums und der verzögerte Treibabschluss sind durch den mechanischen Winterschnitt zu erklären.
 
Tabelle 1: Trieblänge und Triebabschluss in den einzelnen Schnittvarianten vor
                   dem Sommerschnitt (Bonitur 09.06.2011)
 

Zusammenfassung

  • Verzögerter Triebabschluss und mehr Langtriebe bei mechan. Schnitt (Anfang Juni)
  • Kaum bzw. nur schwacher Wiederaustrieb nach mechanischem Sommerschnitt
  • Höhere Ertrage bei mechanischem Schnitt
  • Reduktion der Fruchtgröße (ca. 3 mm vs. Winterschnitt) – Einfluss der Behangdichte oder direkter Effekt?
  • Verzögerte Ausbildung der Deckfarbe bei mechanischem Schnitt
  • Beste Fruchtqualität bei Klik-Schnitt (Größe + Ausfärbung)
  • Verzögerte Reife bei mechan. Schnitt?
  • Niedrigere Stärkeabbau- und höhere Säurewerte?
 
Noch gibt es viele offene Fragen zu klären, bevor bedenkenlos auf den mechanischen Schnitt umgestellt werden kann. Neben den optimalen Schnittzeitpunkten (Rotknospenstadium, T-Stadium, August, vor oder nach der Ernte etc.) muss unter steirischen Standortverhältnissen geprüft werden, wie hoch für die einzelnen Sorten die optimalen Fruchtbehänge pro m² Produktionsfläche anzusetzen sind. Die Vorgabe von 25 Früchten/m² kann sicher nicht auf alle Sorten und Standorte übertragen werden. Ein manueller Korrekturschnitt scheint vor allem bei kleinfrüchtigen Sorten und schwächer wüchsigen Anlagen durchaus sinnvoll zu sein, um nicht massive Qualitätsverluste (höherer Anteil an Industrieware) in Kauf nehmen zu müssen. Die ersten Erfahrungen zeigen auch, dass der Wipfel nicht horizontal mechanisch geschnitten werden soll, da hier die Gefahr der Überbauung deutlich zunimmt. Erfolgversprechender ist hier eine manuelle Wipfelbehandlung nach der Ernte (Nachernteschnitt) in Kombination mit Triebreißen um Mitte Juni. Bevor man größere Flächen auf mechanischen Schnitt umstellt, sollten entsprechende Information eingeholt werden und auch die lokalen Versuchsergebnisse abgewartet werden. Wichtig ist auch ein intensiver Erfahrungsaustausch zwischen den Obstbauern, die sich mit dieser Schnittmethode beschäftigen.
Damit sich die Obstbauern einen Überblick über den Stand der Technik bei den Schnittgeräten verschaffen können, werden im Rahmen einer praktischen Vorführung am Mittwoch, 21. März 2012 mit Beginn um 14:00 Uhr, in der Praxisanlage der Obstbaufachschule in Gleisdorf, die wichtigsten in der Praxis eingesetzten Schnittgeräte präsentiert.

Medium


„Besseres Obst“  ist die Fachzeitschrift für Erwerbsobstbauern und alle am Obstbau Interessierten. Neben Beiträgen zur Technik bringt das Fachmagazin zielgerichtete Informationen und Fachartikel zu Produktion, Pflanzenschutz, Sorten, Ernte, Lagerung und Vermarktung von Tafelobst sowie zur Obstverarbeitung.
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