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Hagelschutz, 19.08.2015

HAGELSCHUTZSYSTEME IM VERGLEICH

Ativer Schutz gegen Hagel ist mittlerweile integraler Bestandteil der erfolgreichen Kulturführung einer Apfelanlage.
 
In vielen Anbauregionen ist der aktive Schutz gegen Hagel mittlerweile integraler Bestandteil der erfolgreichen Kulturführung einer Apfelanlage.
 
Nicht nur direkt vermarktende Betriebe sichern auf diese Weise ihre Produktion und Qualität ab.
In einigen hagelgefährdeten Gebieten mit genossenschaftlicher Vermarktung haben vorausschauende Verantwortliche diese Entwicklung mit Hilfe von GMO-Mitteln breitflächig unterstützt. Damit wurden die Rentabilität der Investitionen und die Kontinuität des Warenangebots sichergestellt.
 
Letztendlich muss jeder Betrieb vor dem Hintergrund seiner Hagelgefährdungslage, seiner Einkommenssituation und steigender Kosten darüber entscheiden, ob (und wenn ja, in welchem Umfang und für welches Hagelschutzsystem) er sich entscheidet oder ob er ggf. eine Versicherung vorzieht. Mittlerweile werden neben den bewährten Hagelschutzsystemen neue innovative Techniken angeboten, die entweder kostengünstiger sind oder den notwendigen Rationalisierungsschritten im Betrieb (Mehrreihensprühgeräte, Mechanischer Schnitt usw.) im wahrsten Sinne des Wortes nicht im Wege stehen. Manchmal sind es auch nur Details, die einen besonderen Nutzen bieten. Im Folgenden werden die derzeit dazu vorliegenden Erkenntnisse präsentiert und diskutiert.
 

Standardsystem: Einzelreihen-Giebelsystem mit Querverspannung

Das derzeitig mit großem Abstand meistverwandte und auch bewährteste Hagelnetzsystem ist das sogenannte Einzelreihen-Giebelsystem mit Querverspannung (s. Foto 1). Es wurde vor allem hinsichtlich der Statik und Sicherheit der Konstruktion in den zurückliegenden Jahren (Jahrzehnten) kontinuierlich weiterentwickelt. Charakteristisch sind drei wesentliche bauliche Merkmale, die im Fall eines starken Hagelereignisses maßgeblich zur Entlastung und damit zur Stabilität beitragen:
1. Giebel (Durchhang-Entleerung) über
2. Einzelreihe mit
3. Querverspannung
 
Bei der Konzeption der Bauhöhe (= Firsthöhe) sollte zur voraussichtlichen Bestandshöhe der Bäume im Sommer unbedingt ein zusätzlicher Lichtkorridor von 0,5 m einkalkuliert werden. Mit zunehmender Abweichung der Reihenausrichtung aus der Nord-Südachse sollte dieser Korridor entweder noch höher ausfallen oder im August per Sommerschnitt wieder „geöffnet“ werden.
Bei der Giebelkonstruktion hat sich vor dem Hintergrund einer problemlosen Entleerung eine Giebelhöhe von 0,8–1,0 m bewährt. Um Streuschäden zu vermeiden sollte darauf geachtet werden, dass die verbleibende Traufhöhe kleiner ist als der Reihenabstand. Beispielsweise sollte bei einer Firsthöhe von 4,0 m und demzufolge einer Traufhöhe von ca. 3,20 m der Reihenabstand größer als 3,20 m sein.
 
Der Netzverbrauch pro Hektar, der neben der Netzfarbe den Lichtdurchlass auf den Bestand beeinflusst und der auch monetär zu Buche schlägt, liegt mit 11.000 m2 (Flächenindex 1,1) auf einem vertretbar günstigem Niveau.
 
In den zurückliegenden Jahren hat sich die Installation einer Querverspannung über dem Netz durchgesetzt (s. Abb.1 und Foto 2), weil sie einerseits im Fall eines Hagelereignisses durchaus gleichwertige statische Sicherheit bietet und andererseits beim Öffnen und Schließen des Netzes kein Hindernis bietet. Die Vor- und Nachteile des Standardsystems lassen sich wie folgt zusammenfassen:
+ Optimaler Hagelschutz
+ Langjährig bewährte Bauweise
+ Gute Belichtungsvoraussetzungen
+ Entleerung gesichert
+ Geringere Belastung des Gesamtsystems
+ Je höher der Giebel, desto geringer die Zugkraft auf die Säulen
+ Alle Kulturarbeiten ohne Einschränkung durchführbar
– Je höher der First, desto höher die Gefahr von Streuschäden
– Hohe Investitionskosten
– Montageaufwand
– Nachträgliche Installation schwierig
 

Volleinnetzung (Käfig)

Unter Volleinnetzung versteht man eine Hagelnetzinstallation, bei der auch die Vorgewende übenetzt sind und die Netze an den Rändern bis an den Boden herabgezogen sind. Bei dieser Variante des Standardsystems besteht die Absicht, den Bestand nicht nur vor Hagel, sondern auch vor Insekten (Apfelwickler, Bienen…) und Vögeln zu schützen. Der „Käfig“ wurde in den vergangenen Jahren an der Versuchsstation Haidegg auf seine kulturtechnische Tauglichkeit hin geprüft, und zwar besonders auf dessen Einfluss auf den Apfelwicklerdruck und auf Möglichkeiten der Fruchtbehangsregulierung durch gezielte Beschränkung der Bienenflugtätigkeit.
 
Hierfür muss eine höchstmögliche Dichtigkeit der Netze und aller Übergänge gewährleistet sein. Die Einnetzung sollte darüber hinaus vom Ballonstadium bis nach der Ernte geschlossen bleiben. Um die Traufe besonders gut zu sichern, kann dabei auf das neue Reißverschlusssystem, eine Innovation der CMG-Ideenfabrik der Provinz Bozen (s. Foto 4), zurückgegriffen werden. Es wurde entwickelt, um bei unvorhergesehenen frühen Schneeeinbrüchen die Netze möglichst rasch entleeren zu können. Im „eingekäfigten“ Zustand stellt das Tor das schwächste Glied im Apfelwicklerabwehrsystem dar und muss daher so rasch wie möglich nach Ein- und Ausfahrten wieder geschlossen werden.
 
Dr. Leonard Steinbauer, Versuchsstation Haidegg/Steiermark, fasste die Erfahrungen aus den Jahren 2009–2014 wie folgt zusammen:
+ Bisher gute Erfolge zur Verringerung des Befallsdrucks von Apfelwickler. Zeitweise war gar keine chemische Bekämpfung mehr erforderlich. In einigen Jahren musste lediglich die erste Generation behandelt werden
+ Schutz vor Vögeln, Wild und Wind
+ Verbesserter Hagelschutz an den Außenreihen
+ Fruchtbehangsregulierung durch Beschränkung der Bienenflugzeiten möglich
+ Alle Kulturarbeiten ohne Einschränkung durchführbar
+  Windschutz
+ Weniger Abdrift
– Zusätzliche Investitionskosten
– Erhöhter Mäusedruck durch den  Ausschluss von Greifvögeln
– Etwas stärkere Windanfälligkeit (Netz an Stirnseiten  und Seitenwänden)
– Erhöhter Platzbedarf
Die Investitionskosten erhöhen sich um folgende Positionen:
• 10–15 % mehr an eingenetzter Fläche
• Zusätzlich Netze an Stirnseiten und Seitenwänden
• Zusätzliche Plaketten, Draht, Ringe und Arbeit
 
Dafür kann in Gebieten ohne Schwarzwild der Seiten- und Stirnschutz als vollwertiger Zaunersatz betrachtet werden und somit gegengerechnet werden.
 
Die zusätzlichen Vorteile, welche die Volleinnetzung gegenüber dem Standardsystem aufweist, vor allem die Reduktion des Apfelwicklerdrucks und eine weitere Option zur Fruchtbehangsregulierung, machen es auch  für den Ökoanbau interessant.
 
Trampolinsystem Das nach wie vor gebräuchliche Trampolinsystem ist eine Variante des Standardsystem, aber ohne klassischen Giebel und teils ohne Querverspannung (s. Abb.1, Foto 5). Im Unterschied zum Standardsystem ist das Netz flach gespannt, was dem System den ersten wichtigen Vorteil verleiht, nämlich wenig windanfällig zu sein. Die Entleerung ist trotz fehlenden Giebels perfekt gelöst, nämlich durch Gummizüge (Expander), die traufseitig (und zwar immer abwechselnd) im Abstand von ca. 1,50 m mit dem gegenüberliegenden Firstdraht verbunden sind. Auf diese Weise entleeren sich im Fall eines schweren Hagelschlags die Netze sofort und ganz tief durch einen plötzlich durch die Last entstehenden Giebel, was zu einer raschen Entlastung aller tragenden Teile (Säulen, Draht, Netz) beiträgt. Das Trampolinsystem ist daher vor allem für Standorte geeignet, auf denen schwerer Hagel mit viel Wind befürchtet werden muss. Es macht aber eigentlich nur Sinn mit einer Querverspannung, was dieses System gegenüber einer herkömmlichen Giebellösung verteuert, zumal mit 13.000 m2 auch mehr Netz pro Hektar benötigt wird. In Gebieten, in denen überwiegend leichter Streuhagel auftritt, macht das Trampolinsystem wenig Sinn, vor allem wegen der Streuhagelgefahr, die durch die flache, hohe Traufe zunimmt.
 
Die Argumente für bzw. gegen das Trampolinsystem lassen sich wie folgt zusammenfassen:
+ Wenig windanfällig durch Flachnetzkonstruktion
+ Perfekte Entleerung durch das weit herunterhängende Netz und damit geringe Belastung auf den Säulen
+ Statisch optimiertes System für Lagen mit Hagel und Wind
+ Keine hohen Anforderungen an das Gerüstsystem
– Nur sinnvoll mit Querverspannung und damit kostenintensiver als Giebelsystem (Netz + Expander)
– Mehr Netz/ha – weniger Lichtdurchlass (bevorzugt Kristallnetze verwenden)
– Streuschäden möglich
– Expander müssen je nach Belastung alle 6–8 Jahre ausgetauscht werden 
Das Trampolinsystem ohne Querverspannung stellt die „Leichtbauvariante“ dar, quasi den Übergang zum Einzelreihensystem ohne Giebel, die aber nur vertretbar ist, wenn
•  (zu) schmale Flächen
•  ggf. mit schwierigem Geländeverlauf (Hanglagen, scharfe Kurven)
•  in windgeschützen Lagen
•  mit Baumhöhen von max. 3 m
•  und stabilen Holzgerüsten
eingenetzt werden sollen.
 
Diese Netzkonstruktionen können rasch und kostengünstig, auch über bestehende Anlagen, montiert werden. Ein statisches Restrisiko bleibt.
 

Einzelreihensysteme ohne Giebel und Querverspannung

Neuerdings werden für spezifische Zwecke wieder vermehrt Einzelreihensysteme angeboten. Historisch betrachtet gab es sie bereits vor der Entwicklung der klassischen Giebelsysteme mit Querverspannung und wurden von diesen wegen ihrer mangelhaften Statik abgelöst. Nun finden diese Verfahren vor allem über den Weinbau wieder Eingang in den Obstbau, vor allem, weil sie etwas kostengünstiger sind und spezielle Vorteile besitzen, wie beispielsweise den Einsatz von Mehrreihensprühgeräten. Andererseits ist die fehlende Querverspannung und das mehr an Netz pro Hektar nach wie vor die Ursache für mangelnde Statik. Darüber hinaus führt die höhere Netzfläche pro Hektar zu erheblichen Lichtverlusten und damit zu Qualitätseinbußen. Des Weiteren ist im Verlauf der Vegetation der Zugang zu den Bäumen, um etwa Ausdünn- oder Schnittarbeiten vorzunehmen, mehr oder weniger erschwert. Die derzeit bekanntesten Produkte im Bereich Einzelreiheneinetzung sind das Whailex-System und das so genannte „Keep in Touch“-System.
 
– Whailex-System
Das Whailex-System ist ein von der Firma Wagner GmbH, Ehrenkirchen, ursprünglich für den Weinbau entwickeltes Schutznetzsystem, bei dem die Netze ohne Querverspannung über die einzelnen Reihen installiert werden (s. Abb. 1 und Foto 6). Mit Hilfe von Abstandshaltern aus Federstahl oder Kunststoff, die an den Gerüstpfählen angebracht werden, wird das direkte Aufliegen der Netze auf den Bestand weitgehend verhindert. Auf diese Weise können die Netze mittels einer Kurbel wie ein Rollo rasch geöffnet und wieder heruntergelassen werden (jeweils 1–2 Stunden pro Hektar). Um ein Minimum an statischer Sicherheit zu gewährleisten, sollte an der Qualität der Gerüstpfähle keinesfalls gespart werden (Kiefer, ±10 cm Zopfstärke, abhängig von Pfahlabstand und Baumhöhe). Die Pfähle sollten möglichst nicht weiter als 5 m auseinander stehen und mindestens 75 cm (besser 1 m) tief gesetzt werden.
 
Umfangreiche Messungen am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg ergaben bei Verwendung zweifädig schwarzer Netze, mit einer Maschenweite von 2,9 x 8, 7 mm und einer Fadenstärke von 0,31 mm, eine Reduktion der photosynthetisch aktiven Strahlung (= PAR) von 15–20 Prozent. Für den Obstbau erschwert das verstärkte vertikale Wachstum der Neutriebe unmittelbar hinter dem Netz zusätzlich die Belichtung des Kroneninnern wie auch die Erziehungs- und Schnittarbeiten (s. Foto 7). Negative Auswirkungen auf die äußere Fruchtqualität sind daher zwangsläufig und im Ausmaß abhängig von der Reihenausrichtung (Nord-Süd oder Ost-West) der Netzfarbe, Sorte und Mutante. Die Konstruktion erschwert das Einfliegen von Vögeln, bietet aber für den Bestand keinen vollständigen Hagelschutz, zumal die Baumspitzen herauswachsen, der Spalt Einlass für Streuhagel ermöglicht und direkt am Netz angelagerte Früchte ebenfalls gefährdet sind. Nach wie vor handelt es sich im Obstbau um ein verhältnismäßig neues System, bei dem noch einige Fragen, insbesondere hinsichtlich des Dauereinsatzes, offen stehen. Die Firma bemüht sich sehr, die Technik kontinuierlich zu optimieren, z. B. mit neuen Hagelnetzfarben, höheren Konstruktionen und neuen Materialien.
 
Die Vorteile des Whailex-Systems lassen sich wie folgt zusammenfassen
+ Der Einsatz von Mehrreihensprühgeräten ist problemlos möglich
+ Die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln wird nicht beeinträchtigt
+ Das Öffnen und Schließen ist durch das Kurbelsystem relativ schnell möglich
+ Neben Hagel können gleichzeitig auch Vögel abgewehrt werden
+ Die Installation ist relativ einfach und weitgehend mit eigenem Personal möglich
+ Die Installation auf bestehende Anlagen ist etwas einfacher als beim Standard
+ Sehr schmale Parzellen bzw. Berg- oder Hanglagen können eingenetzt werden
+ Es ist um ca. 30 % kostengünstiger als das Standardsystem
+ Der Blattstand ist insgesamt günstiger als bei Bäumen außerhalb (Lichtmangelblätter)
 
Als Nachteile müssen folgende Gesichtspunkte aufgeführt werden
– Mangelnde Statik durch das Fehlen der Querverspannung
– Eingeschränkte Baumhöhe (max. 3 m) und damit Baumhöhe (ca. 2,70 nach Winterschnitt)
– Höhere Lichtverluste durch mehr Netz pro Hektar (13.000 m2) und die Entwicklung steilerer Triebe hinter dem Netz
– Wegfall der Möglichkeit, jederzeit Handkorrekturen (Anbinden, Ausdünnen, Sommerschnitt…) im Bestand vornehmen zu können, ohne vorher das Netz öffnen zu müssen
– Die Haltbarkeit und Lichtdurchlässigkeit, vor allem von Kristallnetzen und grauen Netzen unter dem Dauereinsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel (Kupfer, Schwefelkalkbrühe) ist ungeklärt
– Kein hundertprozentiger Hagelschutz
 
– „Keep in Touch“-System
Das „Keep in Touch“-System wurde in Italien von dem Patentinhaber Mario Tonioni entwickelt und wird in Deutschland u. a. von der Firma Biolinda, der Marktgemeinschaft Bodensee und der Firma Brändlin/Frustar vertrieben. Es gleicht einem fast geschlossenen weißen Netzvorhang, der vergleichbar einer „Burka“ direkt auf der Laubwand aufliegt und die Baumreihen von oben bis zum Erdboden abdeckt (s. Abb. 1, Foto 8). Im Gegensatz zum Whailexsytem besitzt die Konstruktion keine Abstandshalter. Ein hochwertiges Netz (Fadenstärke 31 mm) verschließt die Baumreihe bis zur Erdoberfläche möglichst dicht von oben nach unten, so dass kein Baumteil herausragt, und der Baumbestand nahezu insektendicht ist. Dafür ist das Netz, quasi als Multifunktionsnetz, in drei unterschiedliche Funktionsbereiche aufgeteilt:
1. Der obere Teil des Netzes soll u. a. verhindern, dass die Baumspitzen durchwachsen. Es ist deswegen mit einer Maschenweite von 2,2 x 2,2 mm besonders dicht gewebt, 100 cm breit, und besteht aus schwarzen Schussfäden und abwechselnd schwarzen und weißen Kettfäden (= schwarzgraue Netzfarbe).
2. Der zentrale Teil des Netzes besteht aus schwarzen Schussfäden und weißen Kettfäden (= graues Netz), die zum Schutz vor dem direkten Auftreffen von Hagelkörner auf Pflanzenteile und vor Apfelwicklerzuflug mit 2,2 x 4,0 mm sehr engmaschig gewebt sind. In Foto 8 besteht der zentrale Teil aus Kristallnetz.
3. Das Netzende, das bis an die Erdoberfläche reicht, besteht aus einer robusten, 10 cm breiten, engmaschigen (2,2 x 2,2 mm), schwarzen Webkante. Sie ist wie der obere Teil aufgebaut und dient dazu, das Netz nahe am Boden zu fixieren und zwar mit Hilfe von Drahthaken an der Basis der Gerüstpfähle.
 
Die Erfahrungen mit diesem noch sehr jungen System sind noch begrenzt und unvollständig. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
•  Im Gegensatz zum Whailex-System können die „Keep in Touch“-Netze nicht so einfach mit einer Kurbel herauf- und heruntergefahren werden. Dieser Arbeitsgang ist daher sehr viel arbeitsaufwendiger. Deshalb werden die Netze zur Blüte geschlossen und erst wieder zur Ernte geöffnet. Mit dem Schließen der Netze kurz vor der Vollblüte (minus zwei Tage bei Massenträgern wie ‘Gala’, ‘Golden’, ‘Fuji’) oder kurz danach (plus zwei bis drei Tage bei ‘Red Delicious’ oder ‘Pink Lady’) lassen sich laut ersten Versuchserfahrungen aus dem Trentino (Alberto Dorigoni) die Bienenflugzeiten genau planen. Damit kann der Fruchtbehang effektiv und einfach kontrolliert werden. ‘Gala’ wurde in diesem Zusammenhang als am wenigsten geeignet eingestuft.
•  Die engmaschige Volleinnetzung soll den Bestand darüber hinaus vor Apfelwicklerzuflug und Vögeln schützen. Allerdings wurden mehr Läuse, insbesondere Blutläuse, beobachtet, was durchaus auf ein verändertes Kleinklima schließen lässt (weniger Licht und Wind).
•  Ferner wurde festgestellt, dass die Bestände länger trocken bleiben und dass andererseits die Benetzungsdauer verlängert wird.
•  Hinsichtlich der Apfelwicklerabwehr sind bei Einnetzungen älterer Anlagen Abstriche zu machen. Ebenso kann unzureichende Dichtheit oder das zwischenzeitliche Öffnen der Netze den Abwehrerfolg deutlich schmälern. Realistisch gesehen wird, auf die gesamte Lebensdauer einer Anlage bezogen, das „Keep in Touch“-Netz wohl eher ein Bestandteil von mehreren in einer ganzheitlichen Bekämpfungsstrategie sein, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
•  Erste Praxiserfahrungen prognostizieren eine gewisse Schutzfunktion gegen Blütenfröste und ein ruhigeres Baumwachstum.
 
Die Konstruktion besteht nur aus wenigen Bauteilen. Ist ein Gerüst mit ausreichend starken Ankern vorhanden, so ist neben dem Netz und einem stabilen Firstdraht lediglich das zusätzliche Netzfixierungsequiment erforderlich, d. h. an der Spitze jedes Gerüstpfahls eine Art Netzhalteanker („Keep in Touch“-Hut) und an dessen Basis ein Drahthaken. Insofern kann dieses System schnell, problemlos und preisgünstig in bestehende Apfelanlagen eingebaut werden. So jedenfalls die Theorie. Wegen der fehlenden Querverspannung muss das Gerüst jedoch einen besonders hohen Qualitätsanspruch erfüllen. Sowohl bei der Neuinstallation wie auch beim Umrüsten älterer Anlagen auf „Keep in Touch“ sind ausreichend dicht stehende (alle vier Meter), hochwertige Säulen (am besten Holzpfähle), die tief genug gesetzt werden (mindestens 80 cm, besser 1 m), erforderlich. Ebenso sind stabile Anker (s. Kastentext) und Drähte wichtig, denn der „Segeltucheffekt“ dieser engmaschigen Netze beansprucht die Statik jeder einzelnen Reihe bzw. Säule enorm. Einzunetzende Bäume sollten daher auch nicht höher als 3 m (2,70 m im Winter) sein. Dadurch, dass die Netze nahezu senkrecht herunterfallen, bleiben andererseits Hagelkörner oder Schnee nicht im Netz hängen und das System ist im Schadensfall einer geringeren Gewichtsbelastung ausgesetzt als die klassischen Giebelsysteme.
Die Vorteile des ,Keep in Touch’ Systems:
+ Vollständiger Schutz des Bestandes vor Hagel und Sonnenbrand ist gewährleistet 
+ Der Einsatz von Mehrreihensprühgeräten ist problemlos möglich
+ Die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln wird nicht beeinträchtigt, möglicherweise gefördert
+ Neben Hagel können gleichzeitig auch Vögel und Apfelwickler abgewehrt werden
+ Fruchtbehangsregulierung (Beschränkung des Bienenflugs) ist bei einigen Sorten möglich
+ Erste Beobachtungen lassen auf einen gewissen Frostschutzeffekt hoffen
+ Die Bäume sollen unterhalb des dichten Netzes angeblich ruhiger bleiben
+ Durch das senkrechte Herunterfallen der Netze ist die Gewichtsbelastung bei extremen Hagel oder Schneemengen relativ gering
+ Die Installation ist relativ einfach und weitgehend mit eigenem Personal möglich
+ Die Installation auf bestehende Anlagen ist in einigen Fällen deutlich einfacher
+ Auch sehr schmale Parzellen bzw. Berg- oder Hanglagen können eingenetzt werden
+ Es ist um ca. 30 %  kostengünstiger als das Standardsystem
 
Als Nachteile müssen folgende Aspekte angeführt werden:
– Die mangelnde Statik durch das Fehlen der Querverspannung und durch den enormen Segeltucheffekt (viel und sehr engmaschiges Netz pro ha)
– Eingeschränkte Baumhöhe (max. 3 m) und damit Baumhöhe (ca. 2,70 nach Winterschnitt)
– Durch mehr Netz pro Hektar (13.000 m2) und durch die Engmaschigkeit sind höhere Lichtverluste und damit Qualitätseinbußen zu befürchten
– Der Wegfall der Möglichkeit, jederzeit Handkorrekturen (Anbinden, Ausdünnen, Sommerschnitt) im Bestand vornehmen zu können, ohne vorher sehr arbeitsaufwendig das Netz öffnen zu müssen und damit gleichzeitig den Apfelwicklerabwehreffekt zu verspielen
– Die Haltbarkeit und Lichtdurchlässigkeit, vor allem von Kristallnetzen und unter dem Dauereinsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel (Kupfer, Schwefelkalkbrühe), ist ungeklärt
– Die beobachtete Zunahme von Läusen, insbesondere Blutläusen
 
Um eine faire Beurteilung des „Keep in Touch“-Systems vornehmen zu können, sind weitere Praxiserfahrungen und Versuche notwendig. Daher ist es zu begrüßen, wenn dieses neue Verfahren vielerorts geprüft wird, sicherheitshalber vielleicht eher in kleinen Parzellen. In hängigem Gelände oder in sehr schmalen Parzellen, wo die Konstruktion von Standardsystemen an Grenzen stößt, stellt es jetzt schon eine interessante Alternative dar. Dies gilt vor allem dort, wo möglicherweise frühe und massive Schneeeinbrüche Probleme bereiten (z. B. ‘Fuji’ und ‘Pink Lady’ im Alpenraum) und die Baumhöhen (< 3 m) eine Installation zulassen.
 
Sollte es sich herausstellen, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Apfelwickler, Schorf, Ausdünnprodukte) mit diesem System nachhaltig vermindert werden könnte, ohne dass gleichzeitig andere Problemschädlinge zunehmen, würde sich ein weiterer Nutzungsbereich eröffnen. Bis dahin sollte – wenn möglich – konventionellen Systemen mit Querverspannung der Vorzug gegeben werden. „Keep in Touch“ kann natürlich auch mit einer Querverspannung ausgestattet werden, verliert dabei aber die entscheidenden Vorteile.
 

Mehrreihensysteme

Der Einsatz von Mehrreihensprühgeräten ist unter all den bisher beschriebenen Standardvarianten nicht möglich. Mehrreihensprühgeräte werden wegen ihrer enormen Schlagkraft während der Pflanzenschutzsaison zunehmend bevorzugt. Dies gilt vornehmlich für flächenstarke Betriebe, in Zukunft werden aber auch Betriebe mittlerer Größe wegen der steigenden Mindestlöhne verstärkt Interesse zeigen. Für sie kämen Konstruktionen wie beispielsweise Mehrreihenflachnetzsysteme in Frage. Bei ihnen ist nur in jeder dritten Reihe die Installation von Hagelnetzstangen vorgesehen, dort allerdings im Abstand von drei anstatt von acht Metern.
 
Ungünstig ist die systemtechnisch nicht (oder nur teilweise) vorgesehene Entleerung bei Hagel (oder Schnee), so dass die Unterkonstruktion die komplette Gewichtsbelastung aufnehmen und absichern muss. Das setzt eine besondere Säulenqualität voraus. Hinzu kommt, dass die Geräteaufbauten lichte Durchfahrtshöhen von 4–5 m erforderlich machen (entspricht Firsthöhen). Dies erfordert zwangsläufig längere Säulen, die deshalb auch einen größeren Durchmesser haben sollten. Bei Beton müssen die Tragsäulen beispielsweise anstatt 7 x 8 cm einen Durchmesser von 9 x 9,5 cm aufweisen. Ferner werden stabilere Seile und Anker benötigt (1,50 lang 40 cm Teller) sowie Netzbahnen von 4,5 bis 5,5 m Breite. Sie müssen vorher zusammengenäht werden und können nur bei Windstille geöffnet und geschlossen werden.
 
Derzeit bieten die Firmen Frustar und Fruit Security Mehrreihensysteme an, die sich in der Giebelkonstruktion unterscheiden. Während bei dem Frustar-Mehrreihensystem noch ein flacher Giebel eine Entleerung und damit einen Gewichtsabfluss ermöglicht, ist Vergleichbares beim Fruit- Security System nicht vorgesehen.
 
Bei solchen ausgesprochenen Flachnetzen sind auch die Traufverbindungen ein wichtiges Thema. Sie müssen bei Hagelereignissen mehr abkönnen als herkömmliche Traufplaketten. Eine interessante Variante wäre hier der Einbau der neuen Reißverschlusssysteme, mit deren Hilfe eine rasche Entlastung der Flachnetze sichergestellt werden könnte, die aber das System weiter verteuern würden.
 
Sowohl in den Niederlanden wie auch in Deutschland wurden einige Apfelanlagen mit den neuen Mehrreihensystemen ausgestattet. Was für eine statische Beurteilung noch aussteht, ist die eigentliche Probe aufs Exempel, d. h. ein besonders belastungsintensives Hagelereignis.
Die Vorteile von Mehrreihenflachnetzsystemen sind wie folgt:
+ Durchfahrmöglichkeiten auch für Mehrreihensprühgeräte
+ Keine Streuhagelschäden
+ Nur 10.000 m2 Netz/Hektar  bessere Lichtnutzung?
+ Weniger Plaketten
 
Nachteile von Mehrreihenflachnetzsystemen sind:
– Höhere Investitionskosten (längere, stärkere Pfähle, Anker)
– Unsichere Statik (Bauhöhe, Entleerung)
– Netzschäden wegen fehlender/ suboptimaler Entleerung
– Mehrarbeit bei Auf- und Abdecken
– Jede dritte Reihe sehr viele Pfähle     

Medium

1975 hat der Vorstand der Fachgruppe Obstbau den Beschluß gefaßt, ab Januar 1976 eine Verbandseigene Fachzeitschrift herauszugeben. OBSTBAU hat sich seitdem zu einer renommierten Fachzeitschrift entwickelt, auf die kein zukunftsgerichteter Betriebsleiter/ Betriebsleiterin verzichten kann. Mit einer Auflage von über 7000 Exemplaren ist OBSTBAU heute die größte überregionale Fachzeitschrift für Obstbau im deutschsprachigen Raum.
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