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Sonstiges 1, 27.11.2017

Intervitis-Interfructa-Hortitechnica 2016

Die terminlich erstmals auf Ende November verlegte Intervitis-Interfructa-Hortitechnica 2016 lockte viele Schweizer Winzer und Obstbauern nach Stuttgart. Der Berichterstatter vermittelt nachfolgend Eindrücke aus dem Rebbausektor der Ausstellung.
 
Neu vom 27. bis 30. November fand 2016 die auch für Schweizer Winzer attraktive Intervitis-Interfructa-Hortitechnica-Ausstellung in Stuttgart statt. Erstmals wurde - wie der Name andeutet - auch dem Garten­bau Platz eingeräumt. Im Bereich der Bodenbearbei­tung werden dort ja ähnliche Techniken verwendet wie im Obst- und Rebbau. Es brauchte aber wesent­lich mehr als einen zweitägigen Aufenthalt, um bei allen interessanten Vorträgen, Tagungen und Prämie­rungen dabei zu sein. Den Praktiker interessieren meist zunächst die prämierten Maschinen, Geräte und Hilfsmittel, sind doch Medaillen jeweils Vorboten dessen, was auf ihn zukommt. Robotertechnik und Digitalisierung werden auch im Rebbau Einzug hal­ten. Steillagen sind kaum noch wirtschaftlich zu be­treiben, weil der Aufwand dreimal höher ist als in andern Reblagen.

Steiler und immer enger!

Natur- und Heimatschutz verhindern oft eine Anpas­sung der Mauern und Zufahrten in Steillagen. Aber auch die Schutzorganisationen sind am Fortbestand der wertvollen Landschaften interessiert. Viele Wein­gebiete in Südtirol, in Sachsen, an der Mosel und auch in der Schweiz sind landschaftliche Kleinode. Aber be­sonders in Parzellen mit hohem geschütztem Mauer­anteil wird der wirtschaftliche Druck immer grösser. Ein total neu entwickelter Radtraktor mit Knicklen­kung (Abb. oben) soll die Bewirtschaftung erleichtern. Neu ist sein kompakter Bau, aber auch die Sensortech­nik, die beim Doppelknick ein Überschlagen der Ma­schine verhindert. Laufend werden auch Geräte für die Boden- und Laubwandbearbeitung neu konzipiert.
 

Regionalität und Klima

An der Intervitis wurde deutlich, dass die Rahmenbe­dingungen der EU, die in Brüssel zentral festgelegt werden, regional zunehmend auf Widerstand stossen. Eine Anpassung scheint nötig. Das betrifft auch die Schweiz, da wir die meisten EU-Vorgaben ja übernehmen. Letzt­lich wird die Diversität und Typizität von Wein ver­marktet. Nur so kann man sich abgrenzen gegen neue starke Weinbaugebiete wie China, Ost- und Nordeuropa.
Der Klimawandel schafft neue Rebbauzonen und ändert die Voraussetzung für die alten. Beispielsweise den Trend zu Weinen mit weniger Alkohol, aber aus­geprägter Aromatik. Wenn die Moste Alkoholgehalte von 14 bis 15 Vol.-% erwarten lassen, die Trauben aber noch nicht die volle Reife erlangt haben, braucht es neue Ideen und Techniken.
 

Markttrends

Auch der Trend zu Bioweinen war an der Intervitis ein Thema. Das zeigen der grosse Zulauf am Degustations­stand der PIWI-Vereinigung und die Weinprämierung, bei der auch Schweizer Winzer Grosserfolge feierten. Die Wahl einer neuen Sorte mit weniger «Chemie­bedarf» ist nicht einfach. Der innovative Betriebsleiter muss sich einer sich ebenfalls verändernden Kund­schaft anpassen. Qualität ist nicht mehr der einzige Faktor zur Sicherung des Markts. Weinanlässe und persönlichkeitsvermittelnde Präsenz in den «Social Media» sind nötig. Neue Produkte (im Moment «Orange Wines») sind gefragt. Mode-Erscheinungen werden aber in der Regel bald abgelöst. Das wiederum birgt Gefahren bei der Deklarierung. Es gilt zu verhin­dern, dass der Gesetzgeber zukünftig bei traditioneller Kelterung den Etikettenvermerk «Not natural Wine» verlangt.

Der Blick in die Kristallkugel

Ausstellungsbesuche gehören zur Weiterbildung und ermöglichen die Anpassung betriebseigener Struktu­ren. Man möchte ja wissen, wohin sich das Berufsum­feld bewegt, auch wenn neue Tendenzen gerade von uns Schweizern oft mit Argwohn beobachtet werden.
Es sind 32 Jahre her, seit der Autor dieses Berichts an der Meisterprüfung zur Vollernter-Technologie be­fragt wurde. Jetzt ist sie steillagentauglich geworden! Die grosse Goldmedaille für die beste Innovation er­hielt der HOFFMANN Steillagen-Vollernter CH500ST (Abb. 1), der (am Seilzug) steilste Lagen bearbeiten kann (vgl. dazu SZOW 18/2016). Das Gewicht des prämierten Kolosses hat andere Konstrukteure ver­anlasst, kleinere Vollernter zu bauen. Dies scheint der Südtiroler Firma Geier gelungen zu sein (Abb. 2). Zur Beurteilung der Arbeitsqualität braucht es aber Erfah­rungswerte.
 

Bodenbearbeitung im Fokus

Die Intervitits zeigte deutlich, dass die mechanische Bodenarbeit wieder mehr Beachtung erhält (Abb. 3). Die Unterstockbearbeitung greift aber gern auf Metho­den zurück, die seinerzeit den Durchbruch in der Praxis nicht ganz schafften. Mit dem drohenden Herbizidverbot scheint ihre Zeit nun gekommen. Zu denken geben die zusätzlichen Fahrten im Rebberg!
Dass auch die Boden-Gesamtbearbeitung immer wichtiger wird, zeigen weitere Neuerungen: Während eine an der Ausstellung prämierte (schwere) Scheiben­egge (Abb. 4) nur mit einem 80 PS-Traktor gezogen werden kann, haben andere Firmen leichte Kunststoff­elemente verbaut, die zum Beispiel bei der Cambrigde-Walze (Abb. 5) eine wesentliche Gewichtseinsparung erlauben.
 

Sensoren weisen den Weg

Die Drohnentechnik soll schon bald den Pflanzen­schutz vereinfachen. Digitalisierung ist auf vielen Maschinen bereits Alltag. Sensorgesteuerte Geräte spritzen nur wo nötig. Gefragt wären auch Laub­schneider, die selbstständig und ohne Fehlschnitt oder Pfostenmalträtierung die Reben bearbeiten.
Die Digitalisierung der Arbeiten in Rebberg und Keller ist nicht mehr reine Zukunftsmusik. Schon bald werden fahrerlose Traktoren mit GPS-Steuerung die Rebreihen spritzen und zur Neubefüllung selbst­ständig zum Ausgangspunkt oder zur Wasserstelle fahren. Die Hochschulen Deutschlands arbeiten in­tensiv an solchen Projekten und wollen auch Lösun­gen für kleine Weinberge präsentieren. Im Obst- und Gartenbau, aber auch im Ackerbau sind diese Techni­ken bereits erfolgreich. Allerdings ist die Fahrt mit der Spritze durch die Reihen erfahrungsgemäss für den Betriebsleiter eine Gelegenheit, sich einen Eindruck vom Zustand der Reben zu verschaffen. Nach der Automatisierung braucht es neue Ansätze für solche «Kontrollen», die Informationen zu Düngung, Trockenheit oder den Gesundheitszustand der Reben liefern.
 

Retter aus der Luft?

Abhilfe soll hier die Drohnentechnik schaffen. Wärme­bildkameras können jetzt schon Unkrautbewuchs, Trockenheitsschäden und Krankheiten erfassen. Im Moment werden die Flüge noch von Hand gesteuert. Aber auch hier wird in Kürze ein automatisches Abflie­gen der Reihen möglich sein. Auch erste Spritzungen unwegsamer Lagen mit einer grossen Drohne verliefen erfolgreich. Die Vertreter der Hochschulen sind über­zeugt, dass sich die Anwendbarkeit dieser Technik in der Spritzsaison 2017 bestätigt. Derartige Versuche sollen auch in der Schweiz durchgeführt werden; die Flüge sind bereits behördlich genehmigt. Bei den Tests geht es um die Wirksamkeit bisheriger Pflanzen­schutzmittel bei dieser Applikationsart und die Berechnung des Spritzmittelbedarfs/Fläche. Fragen wirft die Kapazität der Drohne auf, die auf 10 L Spritz­brühe und eine Flugdauer von 30 bis 40 min (Akku) beschränkt ist.

 
Fortschritt auch im Kellerbereich

Der Klimawandel verlangt nach neuen und für uns ungewohnten Kellermassnahmen. Mitte des letzten Jahrhunderts wurden die Kellermeister in der Schweiz mit dem Biologischen Säureabbau (BSA) konfrontiert, dank dem die einheimischen Weine bekömmlicher wurden. Für das «süsse Säuremanagement» unserer nördlichen Nachbarn hatten unsere Fachleute oft nur ein Lächeln übrig!
Die BSA-Technik muss nun angepasst werden. Schon bei der Ernte 2003 war die Säure von der Sonne weggebraten und der pH-Wert für eine sichere Kelte­rung (zu) hoch. Die Ansäuerung mit Weinsäure wurde im gleichen Herbst noch zugelassen. Das Spiel «mit oder ohne BSA» mussten alle - auch die Weinkunden -erlernen. Die Spritzigkeit von Weissweinen war nur durch Anpassung der Kellertechnik zu erhalten.
 

Zuckerprobleme

Beim Gärprozess wurde schon ab Mitte der 1980er Jahre mittels Temperaturführung und spezifischen Hefetypen versucht, die Aromatik jeder Sorte indivi­duell herauszuarbeiten. Die klimatischen Verände­rungen verlangten aber auch nach neuen Überlegun­gen zum Erntezeitpunkt. Sukzessive verabschiedete man sich vom Oechsle-Wettkampf. Es wurde immer deutlicher, dass die optimale Reife einer Rebsorte nicht mehr mit dem erwünschten Alkoholgehalt von 12 bis 13 Vol.-%. zusammenfällt. Die dafür nötigen Zuckerwerte werden oft erreicht, lange bevor die Beerenganz reif sind, während deren Vollreife schliess-lich zu Weinen mit 14 bis 15 Vol.-% Alkohol führt. Im Keller brachten die immer höheren Zuckerwerte Gär­probleme, die mit neuen fructophilen Hefen behoben werden mussten. Durch die obligatorische Deklarie­rung wird auch die Kundschaft auf die hohen Alkohol­werte aufmerksam. 
 

Medaillenträchtige Hefen, Enzyme und Korken

In Stuttgart wurden neue Hefestämme und Enzym­präparate vorgestellt, die vorgängig von der Ausstel­lungsjury mit einer Innovationsmedaille ausgezeich­net worden waren. Diese Produkte erlauben die Sen­kung der Alkoholwerte. Gleichzeitig können die neuen Hefen mehr Glycerin und andere wertvolle Stoffe pro­duzieren, die dem Wein mehr Komplexität im Gaumen (Mundfülle) verleihen.
Eine weitere Innovationsmedaille erhielt ein Ver­fahren, das den Korkgeschmack bei Naturkork innert Sekunden ermitteln kann. Wenn damit wirklich ge­schmacklich nicht einwandfreie Korken eliminiert werden können, müssen die am Markt gut eingeführ­ten thermobehandelten Kompaktkorken und Schraub­verschlüsse mit starker Konkurrenz rechnen.
 

Kleine Helfer ganz gross!

Während die Laborgeräte für Weinanalysen stets grös­ser und effizienter werden, fehlen meist bezahlbare Alternativen für Klein- und Familienbetriebe. Umso erstaunlicher, wenn mit dem Vinoquant 11+ ein einfa­ches Refraktometer auf den Markt kommt, das sogar die Aufzeichnung einer Gärkurve erlaubt. Die Mess­resultate werden per Bluetooth aufs Smartphone oder Tablet übertragen. Weiter erstaunt, dass diese Messung auch den Alkohol bei Weisswein berechnen kann; bei Rotwein soll der letzte Schliff für verlässliche Resultate noch fehlen. Die Bundeslehranstalt Klosterneuburg (A) attestiert dem Gerät Praxistauglichkeit für die Erfas­sung von Zucker im Most und in Wein. Die ermittelten Werte können aber eine labortechnische Untersu­chung nicht ersetzen. Testresultate von Schweizer Instituten liegen nicht vor. Das Gerät verspricht aber auch so eine massgebliche Vereinfachung der Erken­nung beginnender Gärstockungen.
Grossbetriebe filtrieren den Most mit technischen Wunderwerken, wie der von der Intervitis-Jury eben­falls prämierten Crossflow-Filtrationsanlage mit ro­tierenden Filterelementen. Für kleine Betriebe werden andererseits Kombigeräte angeboten, die als Flüssig­keitspumpen eingesetzt und problemlos zu einer Flotationsanlage umgebaut werden können.
Erstaunlicherweise finden Hersteller von Gebrauchsgegenständen immer noch neue Lösungen für die Arbeit an der Laubwand. Ein gutes Beispiel sind die Wanderdrahtklemmen von Gripple (Abb. 6), mit denen jederzeit der Plastikdraht gespannt werden kann. Auch die Diskussion um die farbliche Auffälligkeit verzinkter Rebpfähle scheint beendet. Auf dem Markt sind nun Pfahltypen erhältlich, die farblich auf die Umgebung abgestimmt werden können. Die Vielfalt der Profile im Angebot verdeutlicht die Nachfrage nach stabilen Drahtgerüsten.                


 

Medium

Die Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) verbreitet die Forschungsresultate von Agroscope, der deutschsprachigen Forschungsinstitute und der Fachorganisationen im Reb- und Obstbaubereich. Die wissenschaftlichen Artikel behandeln Themen im Bereich Rebbau, Önologie, Obstbau, Obstverarbeitung sowie Lebensmittelqualität und -sicherheit.
Die in deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift enthält französischsprachige Zusammenfassungen der Fachbeiträge. Sie erscheint zweimal pro Monat und richtet sich vor allem an Produzenten, Berater, Lehrpersonen, Bibliotheken, Handelsunternehmen sowie interessierte Laien. Herausgeber der SZOW ist der Verein Publikationen Spezialkulturen (VPS) mit Sitz in Wädenswil, Schweiz.
 
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