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Traktoren, 18.01.2014

MIT RAD ODER RAUPE VORWÄRTS KOMMEN?

Hohe Leistung auch in schwierigen Grenzlagen und Bodenschutz sind zwei Gründe, die beim Weinbergschlepper an den Raupenantrieb denken lassen.
Hohe Leistung auch in schwierigen Grenzlagen und Bodenschutz sind zwei Gründe, die beim Weinbergschlepper an den Raupenantrieb denken lassen. Eine einfache Antwort auf die Frage Rad oder Raupe? gibt es jedoch nicht: eine Bestandsaufnahme.
 
Die Grundsatzfrage Rad oder Raupe wird im modernen und nahezu vollständig mechanisierten Weinbaubetrieb im Wesentlichen durch zwei verschiedenen Blickwinkel aufgeworfen. Zum einen verlangt eine inzwischen weit fortgeschrittene Mechanisierung von Weinbausteillagen nach leistungsfähigen Fahrzeug- und Fahrwerkstechnologien, welche auch für die Erschließung von extremen Grenzhanglagen geeignet sind. Zum anderen ergibt sich im Direktzugweinbau die Notwendigkeit, neuartige Fahrwerkskonzepte zu entwickeln, weil die Fahrzeug- und Anbaugerätemassen kontinuierlich steigen. Das beeinflusst und schädigt die Bodenstruktur in der Regel tiefgreifend. Die Wahl zeitgemäßer und angepasster Fahrwerkstechnologie kann somit in beiderlei Hinblick zur Leistungs- und Schlagkraftsteigerung wie auch zum Bodenschutz beitragen.
 

Der Boden als Fahrbahn und Pflanzenstandort

Der Boden im Allgemeinen erfüllt eine vielfältige ökonomische wie ökologische Funktion. Er ist Standort für Betriebe und Verkehrswege, Fundort von Rohstoffen, Archiv der Erdgeschichte und im landwirtschaftlichen Sinne Nutzfläche zur Produktion verschiedenster Kulturpflanzen. Mit dem Strukturwandel ging und geht weiterhin einher, dass manuelle oder tierunterstützte Arbeit im Weinberg durch leistungsfähige Zug- und Arbeitsmaschinen ersetzt wird. Dies führt zu einer steigenden Beanspruchung des Bodens. Weinbau und Landwirtschaft nutzen den Boden einerseits als Kulturfläche und Pflanzenstandort, andererseits als Fahrbahn für Fahrzeuge und Maschinen, wobei beide Nutzungen grundverschiedene Anforderungen an den jeweiligen Bodenzustand stellen - tiefgründige, durchlässige und biologisch aktive Bodengefüge für Pflanzenstandorte, beziehungsweise ebene, verfestigte und tragfähige Fahrbahnen für Fahrzeuge aller Art. Insbesondere die Weinrebe als Kulturpflanze reagiert bei unsachgemäßer Bodenpflege empfindlich gegenüber Bodenverdichtungen und damit einhergehenden Störfaktoren wie Staunässe, eingeschränkter Nährstoffaufnahme oder Anreicherung pflanzenschädlicher Stoffwechselprodukte im Boden.
Besondere Bedeutung gewinnt dieser Umstand durch den ökonomisch bedingt häufigeren Einsatz von schweren Maschinenkombinationen und dem im Weinbau besonders zu berücksichtigenden Multi-Pass-Effekt. Dieser äußert sich durch massive Bodenverdichtungen im Bereich der regelmäßig wiederkehrend und über lange Zeiträume hinweg genutzten Fahrspuren.
Aufgrund des Anbausystems der Weinrebe als Dauerkultur und in linearer Zeilenanordnung fehlt die Möglichkeit einer jährlichen Fahrspurverlagerung. Als übergeordnetes Ziel im Sinne einer Vermeidungsstrategie sollte grundsätzlich angestrebt werden, die Reben mit möglichst geringen Fahrzeugmassen zu bewirtschaften. Standortangepasste Begrünungen und fachgerecht ausgeführte Lockerungsmaßnahmen mögen den Schadeffekt mindern, aber letztlich nicht vollständig verhindern.
 

Radfahrwerke

Fahrwerke sind als zentrales Bindeglied zwischen Fahrzeug und Fahrbahn zu sehen. Dabei erfüllen diese eine Vielzahl verschiedener Anforderungen. Im Wesentlichen sind dies die Abstützung des Fahrzeugs gegenüber dem Boden, die Reibungsverringerung in der Kontaktfläche Rad-Boden sowie die Bereitstellung von Antriebs-, Lenk- und Bremskräften. Radfahrwerke sind aufgebaut aus den Komponenten Antriebswelle, Radnabe, Rad und Bereifung. Die Übertragung vertikaler und horizontaler Kräfte auf die Fahrbahn kann als primäre Aufgabe des Fahrwerks bezeichnet werden. Dabei werden sämtliche Kräfte ausschließlich in der Grenzfläche zwischen Bereifung und Boden übertragen. Vor diesem Hintergrund erlangt die Maximierung dieser Kontaktfläche höchste Priorität. Dabei gilt es besonders im Weinbau, wo die maximale Schlepperaußenbreite und somit die Breite der Bereifung naturgemäß engen Grenzen unterworfen ist, auf eine Vergrößerung dieser Kontaktfläche hinzuwirken. Grundsätzlich sollte unter Berücksichtigung der betriebsspezifischen Gegebenheiten die eingesetzte Bereifung so groß und so breit als möglich gewählt werden. Weiterhin ist bei Arbeit im Weinberg anzuraten, den Reifeninnendruck abzusenken, um die Kontaktfläche zu vergrößern. Um die damit verbundenen Nachteile bei Straßenfahrt (Verschleiß, verminderte Tragfähigkeit und Fahrgeschwindigkeit) abzumildern, empfiehlt sich eine kontinuierliche Anpassung, beziehungsweise zukünftig der Einsatz automatischer Reifendruckregelanlagen.
 

Raupenfahrwerke

Besondere Bedeutung erlangen Raupenfahrwerke auf wenig tragfähigen und unbefestigten Böden oder überall dort, wo höchste Zugkräfte bereitgestellt oder steile Hänge befahren werden sollen. Im landwirtschaftlichen Bereich erfahren diese in jüngerer Zeit zunehmend Verbreitung. Dies gilt vor allem auf Standorten, wo Radfahrwerke bedingt durch hohe Maschinenmassen ein bodenschädigendes Niveau an Flächenpressung beziehungsweise Bodendruck erzeugen würden. Hinsichtlich Standsicherheit, Traktion und Geländegängigkeit sind raupenangetriebene Fahrzeuge den bereiften überlegen. Im Vergleich zu Radfahrwerken erzielen Raupen einen deutlich erhöhten Wirkungsgrad, da sich diese Fahrzeuge auch auf
ungeeignetem Untergrund stets eine eigene Fahrbahn schaffen. Dies geschieht durch Ablegen der einzelnen Glieder der Raupenkette in Fahrtrichtung auf den Boden. Die abgelegte Kette fungiert somit als Bindeglied zwischen Fahrzeug und Boden und schafft eine ebene Bahn für das darüber hinwegrollende Fahrzeug. Klassische Raupenfahrwerke übertragen die Antriebskraft über ein im Fahrzeugheck angeordnetes Treibrad auf die Antriebskette. Die Umlenkung erfolgt über ein Leitrad im Frontbereich. Zur Abstützung der Maschinenmasse gegenüber der auf dem Boden verlegten Kette und in geringerem Umfang zur Stabilisierung des oberen Kettentrums dienen Stützrollen. Eine Abwandlung der klassischen Raupenfahrwerke stellen die Delta- oder Dreiecksraupenfahrwerke dar. Hierbei ist das Antriebsrad nach oben hin versetzt. Als vorteilhaft sind hierbei die deutlich geminderte Verschmutzungsund Verschleißanfälligkeit der Antriebselemente sowie eine fahrzeugdynamisch optimierte Anpassung der Laufwerke an die Geländetopographie zu bewerten. Die Konstruktion erlaubt die Übertragung höherer Zugkräfte und gesteigerte Fahrgeschwindigkeiten, hingegen erfordert die nötige Mehrfachumlenkung der Kette einen gesteigerten konstruktiven Aufwand. Einzelne Hersteller bedienen sich dieser Technik zunehmend auch bei der Konstruktion weinbaulich geeigneter Schmalspurschlepper. Hinsichtlich der Verschleißeigenschaften sind Raupenfahrwerke tendenziell anfälliger zu bewerten als Radfahrwerke. Moderne Gummiketten und langlebige Lagertechnik erlauben jedoch zunehmend längere Wartungsintervalle.
 

Welche Fahrwerksvariante im Weinberg?

Derzeit sind hinterrad- oder allradangetriebene Radschlepper im Weinbau die am häufigsten verbreitete Mechanisierungsvariante. Unterschiedliche Bereifungstypen erlauben eine Anpassung an den jeweiligen Einsatzzweck. Unter Berücksichtigung vorgenannter technischer Zusammenhänge, einer standortgerechten Bodenpflege
und angepassten Terminierung der Bewirtschaftungsmaßnahmen erreichen Radschlepper heute bereits ein beachtliches Niveau an Bodenschutz. Raupenfahrwerke im Weinbau finden aktuell fast ausnahmslos Anwendung bei der Mechanisierung von Weinbausteillagen. Übersteigt die Geländetopographie den Grenzbereich der klassischen Direktzugmechanisierung von etwa 35 Prozent Hangneigung, sind Standardallradschlepper nicht oder nur noch mit deutlichen Einschränkungen einsatzfähig. Echte Allradschlepper, mit gleich großer Vorder- und Hinterachsbereifung, überwiegend in Knickbauweise, erlauben unter optimalen Bedingungen eine weitergehende Mechanisierung bis etwa 60 Prozent Steigung. Bereits unterhalb dieser Direktzuggrenze ist allerdings eine erhöhte Umsturz- und Abrutschgefahr festzustellen; darüber hinaus treten verstärkt Bodenschädigungen durch auftretenden Schlupf der Antriebsräder auf.
Raupenschlepper ermöglichen unter günstigen Einsatzbedingungen eine weitere Ausdehnung der im Direktzug zu befahrenden Hangneigung bis in den Grenzbereich von etwa 70 Prozent. Diese extreme Steigfähigkeit ist in erster Linie durch die typische kopflastige Gewichtsverteilung der echten Allrad- und Raupenschlepper sowie deren niedrige Schwerpunktlage zu begründen.
Die bei Raupenschleppern im Vergleich zum Radschlepper große Grenzfläche zwischen Fahrwerk und Boden dient einer gesteigerten Zugkraftübertragung und je nach Bodenart kraft- oder formschlüssigen Verbindung zwischen Antriebskette und Bodengefüge. Teilweise werden diese Aspekte jedoch erkauft durch den Nachteil einer Schädigung der Begrünungsnarbe durch Schervorgänge, insbesondere bei Wendevorgängen. Die in der Vergangenheit anzutreffenden Antriebsketten aus Stahlgliedern wurden aus fahrdynamischen Gründen und der abrasiven Schädigung befestigter Fahrbahnbeläge inzwischen überwiegend aus dem landwirtschaftlichen Bereich verdrängt. Zeitgemäße Gummiketten mit verstärkender Stahleinlage vereinen heute ökonomische und fahrdynamische Aspekte. Im unmittelbaren Vergleich zu Radschleppern zeichnen sich Raupenschlepper durch eine deutlich vergrößerte Kontaktfläche zwischen Antriebselement und Bodengefüge aus. Rein rechnerisch ergibt sich somit aus der bekannten Beziehung von Maschinenmasse und Aufstandsfläche ein deutlich verringerter Bodendruck und somit eine verringerte Druckbeanspruchung des Bodens durch Raupenschlepper. In der Konsequenz werden die Effekte schädlicher Bodenverdichtung und Fahrspurbildung und die damit einhergehende Anfälligkeit für Erosionsereignisse deutlich gemindert.
 

FAZIT

Im Bereich der klassischen Landwirtschaft werden Raupenfahrwerke zunehmend aus den angeführten Bodenschutzgründen auch in der Ebene eingesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob im weinbaulichen Direktzugbereich zukünftig ebenso damit zu rechnen ist. Geeignete und serienreife technologische Ansätze zur Kombination von Raupenfahrwerken und klassischen Weinbauschleppern stehen inzwischen zur Verfügung.
Im Praxiseinsatz zeigt sich bislang, dass die idealisierte gleichmäßige Druckverteilung der Raupenfahrwerke unter den Antriebsketten nicht unter allen Einsatzbedingungen gleichermaßen gegeben ist. Insbesondere durch das Befahren von Steigungen oder das Verrichten schwerer Zugarbeiten kommt es zu einer Veränderung der spezifischen Fahrwerkseigenschaften. Gerade im Weinbau liegen hierzu nur sehr geringe Erfahrungen und wenig belastbare Untersuchungsergebnisse vor. Aussagen stützen sich häufig auf Erkenntnisse der allgemeinen Flächenlandwirtschaft. Im Zuge weitergehender Untersuchungen wird das Fachgebiet Technik der Forschungsanstalt Geisenheim diese Zusammenhänge zukünftig verstärkt um weinbaulich relevante Parameter erweitern und hieraus Handlungsempfehlungen ableiten.
 

Medium

 
  • Die Forschungsanstalt Geisenheim ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum.
  • Im Rahmen einer engen Verknüpfung mit der Hochschule RheinMain werden in Geisenheim rund 1000 Studierende der Fachrichtungen Weinbau und Oenologie, Getränketechnologie, Gartenbau sowie Landschaftsarchitektur von den Mitarbeitern der Forschungsanstalt in Vorlesungen und Übungen mit betreut.
  • Ziel unserer Arbeit ist es, innovative Forschungen in anwendbare Handlungsansätze für die Praxis umzusetzen und anzubieten, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Die zukünftigen Diplomingenieure, Bachelors und Masters sollen sowohl national als auch international Leitungsfunktionen in den von uns vertretenen Industrien übernehmen können.
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